Dienstag, 31. Dezember 1918

31/12 Träume: Kopenhagener Straße;― Leo ― irgendwie ist es auch Brandes erzählt mir, er habe ein Verhältnis mit einer Musikschülerin;― sie sagte: Sie sind mir zu jung (oder zu alt);― Bahnhof ― etwa Salzburg (ich träume in der letzten Zeit sehr oft Bahnen u. dgl.) ― eilig ― stürze hinauf, stehle eine Neue Fr. Presse hinaufstürzend, nehme mir vor, auf der Rückreise zu zahlen,― belege Platz in der ersten mit grünem Hut, wieder Perron oder Halle, Träger, auch der schwarze Hutkoffer ins Coupé;― plötzlich hab ich einen grauen Hut auf ― offenbar gestohlen,― ins Coupé ― Platz besetzt, noch andere kommen ― ich hoffe, einige werden aussteigen;― Bühne Volkstheater ― ich spiele unversehens den Hochroitzpointner, weiß die Rolle nicht, suche die Requisiten (Protokoll u. dgl.) ― Zuschauerraum halbleer; ich denke mir: Warum geben sie das Stück auch Nachmittag! (Sie spielens nemlich an den Spieltagen zweimal!); dann tritt wieder Däubler für mich ein;― oben Gallerie, Brüstung lehnend Jacob und Julie; wundre mich, Julie ist Directrice ― dann, noch im Theater bin ich mit ihnen und andern gegenüber (wie wenn es ein Kreis wäre), in den Sitzreihen; wir essen,― Suppe, dann Mehlspeise; ich frage den (schäbigen) Kellner. Warum kein Fleisch?― Er. Ja Schweinernes, aber das ist zu fett.― Taborstraße,― Auslagen mit vielen, ordinären Schuhen, aha, Gegend der Schleichhändler; hinunter in eine Tiefe, Leichenkammer für Scharlachtodte, niemand da (was mich nicht wundert) ich denke: ich habe keine Angst, bin ja Arzt, freue mich meines gelben Überziehers;― gleich wieder hinauf, ein schlanker Herr geht wie ein Wächter auf und ab.―

Mit Kopfweh und verstimmt zu früh erwacht.―

Zeitungen mit den grauenhaften Nachrichten: Marterung der Czarenfamilie vor Ermordungen; Posener Pogrom;― Bolschewistisches von da und dort; Kohlen- und Lebensmittelnöte;― immerhin Eintreffen der Schweizer Nahrungwaggons;― weitere Theatersperre u. dgl.―

Ein Cyclamenstöcklein für O. gekauft.

Mit O. um den Park herum; Erinnerung an das Paradies vor dem Krieg.―

Dem Heini eine ernsthafte Predigt über seine Nachlässigkeit, seinen schlechten Ton.

Nm. im Gomperz gelesen (Pythagoräer).

Am „Weiher“. Gelangte bis gegen Schluss der Scene Freiherr ― Konrad im 1. Act. Gehts in dem Tempo weiter ― so brauch ich sechs Jahre.―

Abends Grosz; Hans Karl Annie; Salten’s mit Paul Anna; Schmidls mit Hansi und Bräutigam Kirsch; Lili v. Landesberger, Kolap, Ernst Schwarz; gegen 12 Schmutzer’s.― Zuerst „Pferdl“ Spiel; Lili betheiligt sich, hatte sich Nm. im Würfeln geübt.― Salten erzählte von Czernin, sprach Politik.― Kolap theilt mir mit, daß Hr. Harz sich um Einbände für Reigen bemüht; also gilts rasch handeln ― Grosz spielte famos Clavier.― Schmidl brachte mir eine „Sirene“ und nahm meine Meldung zur Bürgerwehr entgegen.― Stimmung war ganz leidlich; man ging nach zwei. Lili v. L. übernachtet bei uns.―

Las im Bett noch in Rittners sehr feinem Buch „Das Zimmer des Wartens“.

1919