Freitag, 1. November 1918

1/11 Die Zeitungsnachrichten beunruhigend. Eine ziemlich bolschewiskotische Rede im Soldatenrath. Plünderung in Budapest. Ermordung Tiszas. Unruhen noch mäßig hier.― Engländer in Triest und Laibach. Unsre Truppen zurückflutend.―

Bei Frau Patak. Herr Sonne; über den jüd. Nationalrath der sich hier constituiren wird, Aufruf, den ich mitunterschreiben soll. Ich setze meine Ansichten auseinander ― als oesterr. Staatsbürger jüdischer Race zur deutschen Kultur mich bekennend.

Nm. Eintragungen.

Zum Thee Schott, erzählt von den Volkscenen am Tag der Constituirung des Nationalraths, vor dem Landhaus. Während der Begeisterung ― Reden vom Balkon herab ― flüstert ihm einer zu: Brauchen Sie Mehl.―

Z. N. Leo. Nachher Salten’s, Schmidls; Julie.― S. übersiedelt mit den Kindern, wegen der bevorstehenden Gefahren, in eine weniger bedrohte Gegend; räth uns dringend dasselbe. O. geräth in Aufregung, ich mahne nicht den Kopf zu verlieren. Frühblätter meldeten, Engländer in Triest;― Gerücht Mittag in Triest, um 7 in Wr. Neustadt. Aufathmen. Ich äußere Zweifel. Warum nicht, findet man;― per Auto ―?!― (All das ernsthaft!―) Ich sage: dies war der Krieg: zwischen zwei Stimmungen ― im October 1914 Angst, die Russen kämen;― Nov. 1918 Hoffnung auf die Engländer!― S. teleph. ins Büro;― von den Engländern keine Spur; hingegen schlimmste Revolution in Budapest.― Aber ― ob die Italiener nicht kommen ― und dies das Gerücht erklärt? (fragt S.―) ― Leo erzählt von der sich bildenden jüdischen Garde, die auch ihre „speciellen Lieblinge bewachen werde“.― Schmidl versucht auch zu beschwichtigen. S. übernuancirt, übertreibt, nach seiner Art … Wie er weg ist, hat O. geradezu einen Anfall; morgen will sie mit Lili in die Beethovengasse zu Gisa (wo wir ohnedies einiges hinschaffen). Sie bleibt unberuhigbar.―

Julie bringt Burgth.― Nachrichten, daß Michel wahrscheinlich Director wird.― Sie „vergräbt“ morgen ihr Silber!―