Montag, 6. Mai 1918

6/5 Setze mich zu O. früh aufs Bett, ganz gut plaudernd, als sie wieder unsre Differenzen vorzubringen anfängt. Es handelte sich darum, daß ich ihr vor ein paar Tagen, anläßlich der allzu eiligen Einladung des eben kennen gelernten Sch. dies (vielleicht zu heftig) vorgehalten und neuerdings den Wunsch ausgesprochen, daß sie ― so wie ich, nicht ohne die ihre, keine Einladungen ohne meine Zustimmung ergehen läßt. Was sie als Freiheitsbeschränkung erklärt u. s. w.― Die Discussion steigert sich rasch ― obwohl ich zuerst ablehne und sie erinnere, daß sie heute und morgen zu singen hat. Im weitern Verlauf behauptet sie, mir überhaupt nicht mehr Wahrheit zu schulden ― seit jenem Brief an St. (In diesen paar Zeilen, vor St.s Abreise 1915 hiess es, mit ein paar Blumen ungefähr: „Laß dieses (bettel)-arme Geheimnis zwischen uns sein, und sprich nie ― auch zu mir je ein Wort darüber.“ Was auch geschah. Warum sie den Brief endlich doch O. zeigte, bleibt unklar. Angeblich um O. das Leben leichter zu machen ― sie solle auch gewisse Dinge nicht zu schwer nehmen.) ― Ich mache meinen traurigen Morgenspaziergang, wie ich zurückkomme, find ich O. noch erregter als früher; sie halte es nicht mehr aus,― ich martre sie ― nicht jene letzte Sache, nein, seit Jahren, mein Herumbohren u. s. w.;― ich erinnere sie ― daß von diesen Seelenbohrungen längst keine Rede mehr sei; und daß die Mißstimmungen der letzten Monate regelmäßig aus ihren Gesangs und Carrière Calamitäten erwachsen seien. Übrigens halte sie nun einfach das Wort, das sie mir vor vielleicht zehn Jahren gegeben: wenn sie als Künstlerin nicht weiter komme, so gäb es eine Katastrophe.― Die Discussion verschärft sich ― wir sollten sagt sie endlich, nur mehr Seite an Seite leben, im selben Haus, ich mir daran genügen lassen, daß sie Mutter meiner Kinder sei u. s. w.; sie im übrigen gewähren lassen (― daß sie nichts thun würde, was mich in meiner Ehre herabsetze, davon könne ich überzeugt sein ― hatte sie ein paar Tage vorher gesagt, in ähnlichem Zusammenhang) ― sonst gehe sie fort. Ich erwidre, daß ich mich keineswegs im vorhinein verpflichten könne, alles richtig zu finden, was sie etwa zu thun gedächte ― und hielte sie natürlich nicht, wenn sie fort wollte. Nun wurde sie völlig rasend ― und erklärte endlich, daß sie mich hasse. Worauf ich wortlos das Zimmer verließ. Wieder in den Park,― dachte flüchtig dran, das Grab St.s zu besuchen ― ohne jede Sentimentalität, ja fast in Groll auf sie ― nur in einem Gefühl grenzenloser Einsamkeit. Da seh ich Frau Mädi F.,― auf einer Bank sitzen, die Rollen studirt (neulich spielte sie in der Gefährtin); die nun von ihrem Mann geschieden ist ― wegen Rudi O., St.s erstem Geliebten. Wir sprechen von der Gefährtin, von ihrer Krankheit,― endlich lang von Stephi ― von ihrer unglaublichen Lebendigkeit, auch jetzt im Tode ― und wie sie von allen Menschen geliebt worden sei.

Vollkommen ruinirt ist unsre Beziehung seit jener Aussprache bei der Hofr. Daß ich damals ― nachdem ich abgelehnt, ohne O.s Beisein über sie zu reden,― ihre Unzufriedenheit und Launenhaftigkeit als Grundfehler ihres Wesens erwähnt, verzeiht sie mir nie,― sie, die seit Jahren zu allen ihren Freundinnen und nicht einmal Freundinnen!― über meine gelegentliche Düsterkeit ― und meine „Herrschsucht“ klagt.― Fühl ich Schmerz? Kaum. Namenlose Empörung. „Künstlerehe“―? Die alte Tragikomoedie?― Es berührte mich sonderbar, als die Roland neulich von dem Selbstmordversuch der Tilly Wedekind ein paar Monate vor dem Tode W.s erzählte. Ich fragte nach dem Grund. „Sie hat sich eingebildet, er hat ihr in der Carrière geschadet.“

― Nm. am Nachklang.―

Abends n. d. N. mit O. bei Salten’s.― Leidliches Gespräch, schöne Bücher.