Dienstag, 2. April 1918

2/4 Veranlasse morgens O. wegen ihrer dauernden Verstimmung und Nervosität zu Aussprache.― Ihre Erfolglosigkeit als Sängerin ― sie verflucht wieder ihre Existenz. Sie habe niemanden, der an sie glaubt, ihr hilft, ihr den Weg weist. In mildester Weise wiederhole ich tausendmal gesagtes: Allgemeines Künstlerschicksal,― augenblickliche Zustände; sie solle keine Schuld suchen, wo keine sei. Sie habe es leichter als viele andre, wenn auch wieder (durch meinen Namen) schwerer ― das gleiche sich aus. Sie dürfe sich nicht durch jedes kritische Wort, durch jedes Geklatsch niederdrücken lassen. Nichts würde ihr in den Weg gelegt ― die besten Lehrer; u. s. w. u. s. w.;― auch habe sie schon manche Erfolge gehabt. Und gerade jetzt zeige die Gutheil Schoder wieder ehrliches Interesse;― sie solle doch einmal ― womit sie sich schon einverstanden erklärt,― mit ihr sprechen. Nein. Warum nicht?― Es hilft ja doch nichts. Also mein Vorschlag von neulich, der ihr so sehr einleuchtete: Nikisch kommt nächstens nach Wien ― sie möge ihm die Mezzosopran Partie aus dem Lied von der Erde, die ihr vorzüglich liegt, vorsingen ― (um ev. bei einer Aufführung in Deutschland mitwirken zu können). Nein. „Es wird ja doch nichts draus.“ Wenn du an dich selbst nicht glaubst ―! „Oh ich glaube an mich, mehr als je.“ ― Dann darfst du dich nicht fallen lassen, mußt etwas unternehmen. Diese beiden Möglichkeiten (Gutheil, Nikisch) liegen geradezu schicksalshaft nah ― Nein nein nein.― Ich behalte meine Ruhe ― rede kein Wort davon, daß ihre unerträgliche Unzufriedenheit die Atmosphäre des Hauses wieder seit Monaten trübt und meine Arbeitskraft zur Hälfte lähmt ― und scheide in Güte.―

Dictirt „ Sohn“.

Nm. „Nachklang“.―

Mit Heini Chopin F moll Concert.

O. kommt vom Grünen Anker, hat mit Mimi genachtmahlt, war vorher bei der Hofrätin. Im Lauf der letzten Wochen fand es O. etwa drei Mal unerläßlich, die Gelegenheit zu benutzen und sich von der Hofr. im Mai in die Schweiz mitnehmen zu lassen ― eben so oft sah sie selbst die Unthunlichkeit und Überflüssigkeit dieser Reise ein ― (die ich für meinen Theil wegen der Kosten und Verkehrsschwierigkeiten abgesagt, obwohl dringend zu Vorträgen aufgefordert). Nun kommt sie wieder mit der fixen oder vielmehr labilen Idee sie hält es hier nicht aus;― sie will dort (als Unbekannte ― im Krieg!―) concertiren oder wenigstens Schritte unternehmen ― für nächstes Jahr. Du kennst meine Ansicht, sage ich. Eine Kunstreise jetzt wäre Wahnsinn,― eine Vergnügungsreise Unsinn ja Verbrechen. Und für eine Laune ist der Scherz zu kostspielig.― „Also du hältst alles was in mir in der letzten Zeit vorgeht für Laune!―“ „Nein, nicht alles, aber gewiss diese Idee in die Schweiz zu reisen ― unter diesen Verhältnissen.“ Sie verläßt empört das Zimmer.―

1918-04-02