Sonntag, 25. Juni 1916

25/6 S. Spazierg. Pötzleinsdorf; begegne Speidel, mit ihm Dornbacher Park. Sommerhaidenweg ― heim. Lili Berger in Hoffnung, verhäßlicht, begegnet; ihr Bruder ist seit 3 Wochen vermißt, was sie mir u. a. erzählt wie gestern teleph. Clara Pollaczek das gleiche von ihrem Bruder. Auch das was ganz in der Nähe passirt spürt man nicht mehr so. Der Abbau des Mitleids!

― Mit Speidel über den gr. Heinrich,― Roman und Novelle ― Form als Religion; über den Krieg, über Sinn und Unsinn der Welt.―

Nm. gelesen ― Rahel, Homer (Ilias).

Mit Heini zu Julius’. Karl geht schon morgen ins Feld, vorerst Zell am See. (Willkürlichkeiten des O. Über die im Hof versammelten Angehörigen der Ausrückenden: „Schaffts die Bagage fort.“) Ein Kamerad Kadett N. war bei ihm, der das letzte Debacle in G. mitgemacht.― Dann kamen O. und Lili ― mit ihnen auf die Bahn, nachtm. dort. Lili hat in ihrem Portemonnaie ein Zettelchen, den ersten Versuch eines Tagebuchs gewissermaßen: „Am … 1916 hat Maridl Schm. 5mal gelogen, zweimal mich einmal ihre Mutter etc.“ Auf der andern Seite: „Am … 1916 hat der (-X?) mich und den Fritz mit der Fane gehaut.“ ― Zwei Militärzüge vorher, dann fuhren O. und Lili mit dem Stubenmädchen nach Aussee.―

Referat Dr. Steinberg Zürcher Post, vom Verfasser übersandt, über einen in Zürich gehaltnen Vortrag von Karl Kraus der darin ― das Summum an Renegatenfeigheit ― den Juden am Weltkrieg Schuld gibt. Hierüber hauptsächlich ging das Gespräch bei Julius.