Freitag, 26. November 1915

26/11 Sonniger Wintertag. Mit O. Hietzing zu Popper. Über seine Bücher „Individuum …“, Selbstbiografie, Nährpflicht etc.; über Renegatentum (Robert Hirschfeld), Kritik etc. Er war jüdisch-warm-wohlthuend-klug-gut. Sehr hübsch, dass wir alle lachen mußten, sagte er einmal so vor sich hin: „Man thut den Menschen ja leider selten Unrecht, weil sie meistens nicht so feine Leut’sind ―“

Nach Tisch Wassermann. Über Hugos politische Allüren; seine problematische Stellung; er weiss selbst nicht recht was er will, und, was W. gern erwähnt,― die diplomatischen Kreise zwischen denen er hin und her reist und pendelt nehmen ihn nicht recht ernst.― Seltsamstes Menschenexemplar. Höchste Intellectualität ― die doch irgendwie, da das Sachliche, jede echte Beziehung zu irgend einem Menschen, zu einer That, zu einem Ding fehlt, ins leere geht. Höchster Kunstverstand ― und absolut kein Urtheil.―

Prof. Dr. Reich, wegen Vorlesung. Über allerlei politisches, den Antisemitismus an der Universität etc. Er sagt: „Immerhin ist es begreiflich, dass die Leute lieber einen Arier deutsche Literatur vortragen lassen ― als einen Juden.―“ Also, frage ich, ich und Sie z. B. verstehn weniger von Goethe? von Hebbel ― als Hr. Minor verstanden hat oder Hr. Brecht versteht ―?― Und werde etwas grob.―

U. 29; ― er hat der Gattin gestanden (nicht alles) ― bevorstehender Familienrath.― Seine Spielverluste, auch am Kartentisch.―

―„Fliederbusch“ 2.-4. Akt gelesen. Viel wird eigentlich nicht mehr dran zu machen sein;― ob es gut wird ―?― Technisch scheinen nun die Schwierigkeiten sehr geschickt überwunden; aber die Total-Laune fehlt irgendwie; im einzelnen viel witziges und auch spaßiges. Will nun [ans] feilen.―