Sonntag, 10. Jänner 1915

10/1 Traum (― nachdem ich zuerst aus Halbschlummer wie durch Pistolenschuss und Blitz aufgeschreckt bin und zu O. sage: merken wir uns die Stunde, vielleicht ist eben ein Bekannter im Feld gefallen ―): Will mit Gustav? ins (Volks?) Theater; Mama hat zwei Sitze; ich soll mit ihr gehn; sie lädt eine Dame ein, sie selbst werde stehn, ich werfe ihr ärgerlich vor, dass nun ich stehn müsse;― die erste Parketreihe ist irgendwie sichtbar, daneben stehend dunkel gekleidete Damen (auch die geladene, eine Schey, wie ich weiss).― Bin auf einer Art Dachboden (Casanovaerinnerung) ― sitze mit der Familie um Tisch, essend, bemerke etwas, worauf Heini, mir gegenüber, sagt „Weil du dumm bist“.― Ich: Du wirst sofort dich entfernen. Er steht wüthend auf, droht irgend wie, hält den Teller mit Naturschnitzel in der Hand, ich fürchte, er wird ihn an die Decke schmeißen, wie ich einmal in meiner Jugend (wirklich, in Wuth über meinen Vater) gethan. (Wir nachtmahlten gestern Naturschnitzel, und nachher Gorgonzola und ich sprach vor dem Schlafengehn von dem unangenehmen Magengefühl ― Überwälzung der Schuld.) ― Bin dann in großem Saal, Fest, auf dem Podium Masken; Purzelbäume ― Lärm,― „ach, das ist Treßler“ denke ich ― es ist eine Art Wohlthätigkeits-Schauspieler Cirkus; ― Olga vor mir, in einer dunkelblauen einfachen Bluse (die sie gestern probirte);― eine Dame, von fern Wera kommt auf mich zu,― es ist nicht Wera, sondern eine andre, deren Namen mir im Traum nicht einfällt (nach dem Erwachen weiß ich es ist Frl. Elsa Bienenfeld, Musikkritikerin) ― fragt mich (wie Gastgeberin) ob ich allein mich nicht langweile. Ich erkläre „gerade so amüsir ich mich“; Lärm steigert sich ― ich komme gegen ein leeres Amphitheater (Hörsaal) durch die breite Gasse, herabsteigend (Novelle: Pola ― Parlamentsconcert bevorstehend für O.) ― greife an meinen Hals,― zu meinem Schrecken hab ich eine andre Cravate, u. zw. eine kleine schwarze zum Anknöpfeln (wie sie immer mein Vater getragen!) ― habe Angst, dass man mich umgekleidet, ohne dass ich es bemerkt habe, vielleicht sogar einen Salonrock anhabe, erwache, während ungeheuern Lärms (Ohrengeräusche!) mit heftigen Schreien. Deute gleich und entdecke dass es ein Todestraum war. (Mitmotiv: Stephi hat ein Recidive ihrer Angina, ziemlich schwer.)

Richard kommt Vm., geht eine Weile mit mir spazieren dann ich allein Himmel etc., treffe Ama, später O.,― Stephi gehts nicht gut.― Lerne auf der Straße Dr. Krips, den Arzt kennen, Mimicry-Vorstadt-Christ.―

Zum Thee Max Leitner und Gustav, letztrer übers Nachtm.―

Notizen zu Fink.―

1915-01-10