Dienstag, 8. Juli 1913

8/7 Träume: Kleines Zimmer Hotel, O. im Bett; an einem Tisch hart dran, ernst schreibend ein (mir von langher bekannter, nun Jahre lang nicht gesehner) Herr Kohn. Ich ärgerlich, er soll ins Schreibzimmer gehn, O. findet, ich muss es ihm sagen, ich thue es; er kann auch ins Nebenzimmer gehn, meines; er geht, ernsthaft, ohne zu reden, ohne sich um O. im geringsten zu kümmern. Das Nebenzimmer ist unaufgeräumt, ich versuche vergeblich rasch Ordnung zu machen; das Stubenmädchen hat offenbar kein Trinkgeld bekommen, sie sieht irgend einer ältlichen ähnlich,― (dem Frl. Jeanette von der Hofrätin Z.?) ― dann bin ich in einem Zug, mit O. (und noch einer Dame? Frau Bachrach?), man (wer?) theilt mit, Frl. Zwerenz, und Simon’s seien in einem andern Waggon; O. beeilt sich, was mir aergerlich, zu Simons zu gehn. Auf dem Weg tritt, in Ballkleid, Frl. Zwerenz aus einem Coupé (Kajüte, Zimmer) wie in ein Vorzimmer, mit ihrem Liebhaber (?,unsichtbar), sie sieht (wie ich erst im Wachen weiss) aus wie Frl. Woiwode; ist irgendwie befremdet ― Indess (?) hat mir Dr. A. Kaufmann sein Notizbuch gegeben, zur Aufklärung, wo er an den verschiedenen Abenden mit Bella (die jetzt in Wien) soupirt; ich lese durch (ohne etwas zu erfahren), in der Mitte des Notizbuchs seine Ausgaben notirt; nachzusehn schiene mir indiscret, übrigens kann ich sie nicht lesen.― Nun bin ich mit Dr. Reik irgendwo, er wird witzig-intim, was ich ärgerlich ablehne, sogar handgreiflich; als er gekränkt ist, thuts mir leid, bin gleich gut zu ihm; auch ein gescheidterer ist da (Dr. Sachs?, unsichtbar) ich spreche aus: „Der nächste große Mann wird der sein, der der Psychoanalyse ihre genauen (?) Grenzen anweist“, was, zu meiner Verwunderung auch Reik’s Beifall findet. Dann erscheint, um mich endlich wieder zu sehn, Prof. Schwarz, in Sammtrock.―

Deutungen: Morgen soll in Vertretung Dr. Pollaks Dr. Ignaz Kohn kommen; dass jener fast fremde Kohn an O.s Bett schreibend sitzt ist ein maskirter Wunschtraum: sie soll leidend sein, weil sie (wie wir neulich festgestellt) nie liebenswürdiger ist als zur Zeit ihrer Unpäßlichkeiten. Die Zudringlichkeit dieses Kohn bezieht sich auf eine Bemerkung, die ich gestern über den jüdelnden Vicki gemacht. Das unaufgeräumte des Zimmers mag „unwirsch“, das „unfreundliche“ eines Wesens bezeichnen, oder das Benehmen O.s.― Das Stubenmädchen ― die Schwester bei Heini ― mir fiel neulich ein, ob ich noch schon vor Ende der Krankheit Trinkgeld geben sollte.― ― Der Zug ― die Reisesehnsucht; O.’s rasche Besuchslust ― eine Erinnerung daran, dass ich ihr übel nahm, was ich das „devote Benehmen“ (ungerecht!) gegen die Agentin Frau Wolff nannte.― Frl. Woiwode ― wir sollen heuer in Brioni die Ballerinen Berger kennen lernen ― ich sah Frl. Woiwode als Balletmädl im Abschiedsouper! ― Daher auch das Ballkleid! ― Die Intimität Reiks ― Eigenheit der Psychoanalytiker die intimsten Details zu erforschen.― Der gescheidtere Dr. Sachs ― Bemerkung Olgas. Meine Kritik der Psychoanalyse: braucht keiner Deutung mehr. Prof. Schwarz ― ich sah gestern eine seiner Frau ähnliche Dame; ― sein Sammtrock: ― sein sehnendes Verhältnis zur Kunstwelt etc. (Frl. B.!) ― Zustimmung Reiks: ― Der „Psychoanalytiker“ Winterstein erwiderte mir auf eine Bemerkung: „Ich bin nicht mit allem in Ihrem Artikel einverstanden ―“ „Ich auch nicht ―“―

Vm. Dr. Kohn zum ersten Mal (alter Bekannter). Tüchtig, bestimmt.―

Nach zweitägigem leidlichem Zustand nach Tisch heftige Scene mit O.; ihr Widerspruch gegen Vorschläge, die sie gemacht ― und ich acceptirt habe. Ihre Inconsequenz.― Schrieb, resp. fing Nm. einen Brief an sie an. Was drin stand, sagt ich ihr, auf dem Nachhauseweg von einem trübseligen gemeinsamen Nachtmahl beim Schutzengel; ― und mehr. Es wurde wieder furchtbar. „Das Jahr vergess ich dir nicht“ sagt ich ― „und wenn ich tausend alt werde ―“ „aber es kommt auch kein zweites.“― Ihre trotzige Einsichtslosigkeit macht mich übertreiben.―