Samstag, 30. März 1907

30/3 Vm. mit O. Grinzing; bei Wassermanns. Mit ihnen spazieren übern Cobenzl. W. will über die Dämmerseelen schreiben. Mein princ. Standpunkt zum Kritisiren in der Oeffentlichkeit durch Bekannte, Freunde.―

― Nm. Anna Epsteins Roman zu Ende gelesen; anständige aber uninteressante Arbeit.―

An der Tragikomoedie, an der ich das Interesse zu verlieren beginne.

Abends Salten und Otti bei uns. Später Richard mit Paula. Olga sang vor. Der Eindruck: schöne Stimme, aber einfach noch nicht fertig erklärt sich entschieden.― Richard in seinen unübertrefflichen Productionen als Christ; Herr Schwuz und Familie; Jodler.―

Aus unserm gestrigen Gespräch (Ich und Wasserm.):

Er: „Ich habe Bie schon gebeten, mir Platz in der N. R. frei zu lassen; ich will über die Dämmerseelen schreiben.“

Ich: So? …

Er. (nach einer Pause). Warum sind Sie so erschrocken als ich sagte … ich würde über die D. schreiben?―

Ich. Durchaus nicht. Warum haben Sie ein so schlechtes Gewissen, dass Sie glauben ― ich bin erschrocken ―?―

― Dann Julie zu W.: ― Sag; … hast du dich eigentlich gefreut über meine Kritik des Alexander ―?―

Später er: Ich hab einen humor. Roman vor ― eine ganz neue Figur, ein weibl. Don Quixote.―

Sie: ― Nicht …

Ich erklärte ihn als das köstlichste humoristisch vollendete Exemplar eines Literaten, das je existirt.

Frühlingsmelancholie. Gespräch mit O. über ferne Zeiten: Tausenau; M. Gl., meine Rendezvous mit ihr an der Südbahnstrecke, an den Geleisen, im Gesang der Telegrafendrähte.―

Aus dem Gespräch mit Wasserm. über Heimanns Brief an Salten. Wie H. aus einem mährischen Nest nach Berlin gekommen; seine Beziehung zu Hauptmann.― Ich führe alles auf Heim. eigne schiefe Kunstbestrebungen zurück.―

Mit O. zu Mama; sie zur Südbahn begleitet (Meran).

O. sehr verstimmt Walter’s wegen, der die Verantwortung wegen Vorsingens in den nächsten Tagen abgelehnt hat (was O. als Ablehnung der Verantwortung für ihre Carriere überhaupt deutet). (Ganz falsch.)

1907-03-30