Dienstag, 14. August 1906

14/8 Im Archiv. Dr. Wahle, kleiner Jude, nett, liebenswürdig. Zeigt mir allerlei Manuscripte, Tagebücher, Faust, Briefe (auch Christianens etc.) ― Plötzlich erscheint jemand, der mir als Direktor Suphan vorgestellt wird. Kühle Begrüßung, die ihn offenbar verletzt. Er fragt mich, ob ich hier arbeiten will. Ich: „Nein. Tourist. Dr. Wahle war so freundlich ―“ Er (zu W.) Warum nicht zu mir herübergeschickt. Ich muss ja darum gefragt werden, wenn Manuscr. etc… Ich: Diese Verordnung war mir nicht bekannt. Sonst hätt ich keinen Anstand genommen, mich an Sie zu wenden. Er: Das bezieht sich nicht auf Sie. Aber der Herr Doctor (W.) weiss es … Wahle: …„hier, wo es sich doch um einen bekannten Schriftsteller handelt …“ Er: Ich weiss ― ich weiss (ziemlich ablehnend) …aber was man dem einen gestattet, kann man dann dem andern nicht verbieten … bin verantwortlich … u. s. w. Wahle (tödtlich verlegen) Aber es ist doch wirklich nicht der Rede werth.― Suphan: Was ich rede, ist immer der Rede werth … Das verbitte ich mir ― (Ab ohne Gruss.)

― Ich hatte ihn immer nur angestarrt wie einen Verrückten (was ihn wahrscheinlich aufbrachte) ― war höchst angeekelt; sagte zu Wahle: „Es thut mir leid, Ihnen solche Ungelegenheiten ― ―“ Wahle … Er ist immer so. Hat schon manche hinaus geekelt ― ―

― Ich diagnostizirte kindische Eitelkeit und Größenwahn, was W. bestätigt. Wir sprachen noch von der Schoder, die hier in der Nähe wohnt (und mich „verehrt“ ― jedenfalls nicht wie ich sie).―

Nach Fortgehn bedauerte ich zuerst Herrn S. nicht irgend was vernichtend großartiges gesagt zu haben. Dann war es mir aber angenehm, da er mich, als Direktor, am Ende auch noch hinausgewiesen hätte. Es bleibt nach jeder Richtung das „klügste“ und das „würdigste“ ― dass ich seine Taktlosigkeiten nur mit schweigenden Blicken begleitet ― aber ich schwieg ja nicht aus Klugheit und Würde; sondern eigentlich weil ich wie vor den Kopf geschlagen war. Und so litt ich eigentlich weiter unter dem „unterdrückten Affect“.―

Dann Museum; Fürstengruft. (Was ich nicht hätte thun sollen.) ―

Briefe erhalten. Vom Observer allerlei widerliches.―

Kluges Gespräch mit O.; insbesondre über die Freunde. Unmöglichkeit reiner Verhältnisse in unserm Kreis wegen Mangels an Güte.

Mit O. und Fred Belvedere; im Park spazieren. Freds indische Reise. Über Hugo.― Mittags ein Gespräch über Sanatoriumszustände.―

Russ. Hof soupirt.

1906-08-14