Samstag, 1. Oktober 1904

1/10 Vm. spazieren Cottage.― Correcturen, letzte oberflächlich, Novellettenbuch.― Dictirt: N. E.;― Dialog (Clementine) weiter.― Reigen, Gerichtsverhdl. Leipzig, verboten.―

Während ich dictirte, Parte Karl Rh., der Bruder der Entschwundnen; sehr unerwartet.― Er war Kapellmeister.―

Nm. einiges Fidelio gespielt ― N. E. weitergeschrieben (Auftreten des Nikolaus, neue Figur).―

Mit O. spazieren.― Abends kamen Fanny M., Frl. Rothenstein, Leo Vanjung.― Gespräch über Hugo; Richard’s Stück.― Richard war unzufrieden mit dem Eindruck und hatte unglaublicherweise geglaubt, es gefiele mir nicht. (Hatte nur Einwendungen gegen 4. und 5. Akt, fand das andre „außerordentlich“, die Verse unvergleichlich, die Gedankenfülle verblüffend.) ― Hugo wäre aus Venedig plötzlich, nur wegen R.s Vorlesung gekommen, aus einer Art Nervosität, um die Stimmung zu verschlechtern (halb unbewußt) …er wird überhaupt nun auf den stilisirt, der kleinlich neidisch und streberisch, trotz des großen Talentes, trotz der enormen Intelligenz, daemonisch zu Äußerungen, Bethätigung dieser Kleinlichkeiten getrieben wird.― Die Einseitigkeit dieser Auffassung ist mir aergerlich, und wenn ich mich gegen diese Übertreibungen, Stilisirungen, Nervositäten (Zusammen- resp. Nahewohnen in Rodaun!!) wende ― „sitz ich auf“ … Ich weiss genau, dass ich Hugo besser kenne, als ihn die andern kennen ― und ihn früher gekannt habe.― Alle menschlichen Beziehungen werden ja nur ermöglicht, indem man sich durch die Fehler der Freunde und Freundinnen nicht stören läßt.―

Musik, O. sang Zigeunerlieder (Brahms), Haendel (Ombra), Tschaikowski Lieder.―

Leo setzte mir seine Theorie über Moll und Dur, sowie Consonanzen auseinander.― Dränge, wie schon oft, er möchte diese Dinge schreiben, veröffentlichen. An seinem Geist, der in Hinsicht aufs mathematisch-musikalische ins geniale geht, erfreu ich mich immer mehr.―