Montag, 8. Dezember 1902

8/12 (Feiertag) Vm. bei O. Es entwickelte sich wieder eine Verstimmung.― Abends bei ihr genachtm. Nachher lasen wir alte Novelletten etc. von ihr, von denen eine sehr nett war … Da sagte sie ― Es scheint mir, ich bin auch schlechter geworden, wie die Liesl (von der wir früher, nach Lesung ihrer Briefe in diesem Sinn gesprochen) … Diese Bemerkung verstimmte, ja verletzte mich, ich octroyirte ihr, eigentlich nicht ganz aus Überzeugung aber in meiner Reizbarkeit Gereiztheit vor mir selbst gerechtfertigt, dass ja da offenbar ich schuld sein müsse, und als sie diese Zumuthung abwehrte, sprach ich davon, dass sie ja das selber nicht zu wissen brauche. Das Gespräch bohrte immer weiter; mein Mißtrauen, ihre Verzweiflung drüber; da man sich aber vor dem Auseinandergehen doch immer nach Versöhnung sehnt, endet auch dieser Zank, wie die meisten andern, leidlich.― Schuld an diesen so häufigen Verstimmungen bin wohl größtentheils ich. Meine Selbstquälerei, und ein daraus entstehender Hang zu etwas, das nicht gerade Bosheit, aber doch irgendwie damit verwandt ist. Auch eine Art von Zorn, wenn sie nicht glücklich, oder nicht glücklich genug ist, in dem wohl unterirdisch mitgrollt: Wozu das alles: … Deswegen hab ich meine Existenz mit Sorgen beladen? … Dann, in dieser sich immer weiter steigernden Stimmung wachsen mir die Sorgen innerlich ins übertriebene, unerträgliche. Dann schäm ich mich dessen, und so wird ein peinliches Gefühl immer erst durch ein peinlicheres aus dem Feld geschlagen.― Dass ich zum Arbeiten, trotz einiger Fortschritte im 4. Akt noch immer in kein ordentliches Verhältnis komme, gibt vielleicht den Untergrund.