Mittwoch, 29. Juli 1896

29/7 StockholmUpsala.― Regen.― Verlassene Stadt. Bibliothek (Codex argenteus).― Dom.― Universität. Stadt Hotel.―

Frag ich mich, ob ich mich nach Mz. Rh. mit einer persönl. Sehnsucht sehne, so muss ich sagen: Nein, und auch nach Mz. I nicht ― und eigentlich ― nach niemandem. Frag ich mich, ob ich an irgend einen meiner Freunde mit sehr inniger Freundschaft denke, muss ich wieder sagen: Nein; obzwar ich gern mit diesem oder jenem plaudern möchte. Ja ― es hat sogar die Erinnerung fast an jeden Freund die Betonung einer leicht nervösen Antipathie; d. h. gewisse Eigenschaften oder Eigenheiten treten mir in der Erinnerung mit übertriebener Deutlichkeit hervor. Mit einer wohl sehr leichten, aber unbestreitbaren Gereiztheit denk ich besonders an Hugo; und denk nach worauf sie beruht; wahrscheinlich ist es Ärger darüber, dass ich in meiner Meinung über mich selbst so stark durch die Meinung, die ich bei Hugo über mich vermuthe, beeinflußt bin; häufig zu merken glaube, wie er mich weniger schätzt, als ich gern möchte;― aber ich glaube doch auch, dass zu meiner Gereiztheit auch manche Allüren und Marotten von ihm beitragen, seine Hinneigung zu gewissen Äußerlichkeiten aristokr. Lebensweise und Anschauungen, seine deutliche Vorliebe für die Gesellschaft „junger Herrn“. Hier spielt freilich von meiner Seite mit: dass ich nicht reiten, nicht ordentlich fechten, absolut nicht schießen kann, dass kurz und gut in meiner Ausbildung von Seite meiner Eltern das Körperliche, zu dem ich gewiss keine schlechten Anlagen gehabt hätte, vernachlässigt worden ist. So kann sich meine (übrigens in der letzten Zeit stark zurückgehende) Sehnsucht nach „Elegance“ nie ganz erfüllen.―

Spazierg. in Stockholm; dann ins Opernrestaurant, hatte den Finanzrath wieder sehr gern.―