Dienstag, 30. Juni 1896

30/6 Mit Mz. Rh. in einem Vorstadtgarten, zum engl. Gruss genachtmahlt. Der Hass flammte zwischen uns auf. Die Umgebung reizte sie offenbar schon, der Gedanke, dass ich hier mit Richard und Paula gesessen, der Gedanke an meine frühern Vorstadterlebnisse. Ringsum Spießer mit ihren Frauen, essend, Tarok spielend. Sie fand sofort, dass ich mich gleich der Umgebung entsprechend benehme, weil ich den Ellbogen auf den Tisch gestützt; ich sei ihr nicht sympathisch.― Ich war wüthend, schwieg aber eine Zeit. Dann erhob sich langsam aber sicher der Zank. In mir zitterte auch die Erinnerung an die schönen Abende in solchen Gärten ― mit Mz. I, und ich trug innerlich Mz. Rh. alles mögliche nach, woran sie wohl unschuldig: dass sie nicht so ein kleines süßes Mädl ― wohl auch dass ich sie nicht liebe ― Aber ich sagte ihr, gerade das beste an ihr sei das, was sie von der Wiener Vorstadt habe, und das sei nur durch die jüdische Bourgeoisie in ihr ruinirt worden (wohl stilisirt, im Wesen aber nicht unwahr). Sie fasste gleich auf: ich liebe an ihr nur, was sie mit den andern Weibern eben gemeinschaftlich habe ― das sei eine unerhörte Gemeinheit. Schweigendes Nachhausegehn. Wir hassten uns. Bevor sie zu Haus war, erhob sichs aufs neue. „Man hat mich ja immer vor dir gewarnt, du kannst nur mit Dirnen und Vorstadtmädeln umgehn ― du weißt, dass ich gerade da am empfindlichsten bin ― gerade ich ―“ Ich erwiderte ohne viel Enthusiasmus, weil ich durch andre Gedanken gestört war, durchs Denken an die andre, dann durch ein plötzliches Ängstlichwerden um meine Kunst, besonders um die neue Novelle, die viel von unserm Verh. enthalten soll ― und endlich, weil sie mir doch, wenn ich auch oft recht sehr in sie verliebt bin,― in höherm Sinn gleichgiltig ist. Ich weiss es nicht immer. Und vielleicht irr ich mich auch.―

Juli