Montag, 25. Mai 1896

25/5 Pfingstmontag. Mit Brahm, Rich., Paula BadenHeiligenkreuzBrühlWien.― Zur Geschichte der Verlogenheit in unsern „jungen Kreisen“.― Rich. Engländer (der ein Buch herausgegeben unter Peter Altenberg, sehr hübsche, eigne Stimmungsbilder enthaltend ― der selbe Rich. E., dem man früher Aehnlichkeit mit mir zuschrieb ― derselbe, der Olgas erste Liebe war ― vor 13, 14 Jahren!) verkehrt meist in Hurenkaffeehäusern, Neigung ― Pose ― Gewohnheit, fast schon echt ― verliebt sich meistens in Dirnen (à 3 fl.). („In einem solchen Weib die Seele finden ― gerade das ist das höchste ―“) Dem Weib das man liebt, muss man den Mann bringen, den sie haben will.― Von diesem Standpunkt ausgehend hat er u. a. seine „Geliebte“ Anna einem von den papierenen jungen Menschen, die sich um Bahr sammeln, seinen Stil äffen und für die die Welt im Jahr 1889 (frühestens!) angefangen hat, einem gewissen Messer zugeführt. Dieser Messer, ist nun der Geliebte Annas geworden (ich habe sie im vorigen Jahr einmal gesehen im K. Stuckart, Typus der Prostituirten, welche vom Stubenmädchen auf gedient hat) ― und schreibt ihr tiefsinnige Briefe.― Sie beantwortet sie, gleichfalls tiefsinnig und Messer ist entzückt ― Aber Rich. Engl. ― ist es, der ihr diese Briefe dictirt ― dies vertheidigt er (wenn man ihm vorwirft (Salten), dass er ja eigentlich das Leben Messer’s fälsche): „ja, ich dictir ihr ja nur, was sie ihm schreiben wollte, wenn sie es könnte! Das ist ja in ihrer Seele ―“― Es hat sich jetzt heraus gestellt dass ein Liebesbrief dieser Anna, den Rich. B.-H. im vorigen Jahr erhielt ― auch von Rich. E. inspirirt d. h. verfasst war!― ― Ein andrer von diesen papierenen Menschen, namens Paul Wertheimer, hat sich dieser Anna auf der Straße vorgestellt, erklärt dass er uns alle kenne, ging zu ihr, hat ihr seine Gedichte vorgelesen, dann von ihrem Beruf Gebrauch gemacht, und ihr schließlich 1 fl. 50 gegeben ― worüber sie wüthend war, besonders dass er auch die Gedichte vorgelesen.―