21/6 Mz. Mittag.― Stiege. Blumen ― Blass, setzt sich im dunkeln Vorzimmer auf die Bank.― Heut fährt sie weg, nach Weimar. „Ich schwöre dir, daß ich so zurückkomme, wie ich dich verlasse.―“ Ich nehm deinen Schwur nicht an; er wäre dir lästig ― hast du’s nicht auch geglaubt wie du nach W. gingst?― „Ja früher hatt ich dich ― ich war zu glücklich.―“ ― Ich sagte ihr, was ich ihr immer sagte. Bevor sie wegging, bat sie mich kniefällig, ich solle sie auf die Stirne küssen.― Auch mich überkam Rührung. Nun ja, sie hat sich benommen wie eine Canaille, aber daß sie mich liebt ist ja doch wahr;― und wahr ist ja auch daß mein Hass, mein Schmerz, mein Ekel Erscheinungsformen der Liebe sind.― Und ich küsste dreimal ihre Stirne.― Dann nahm sie meine Hand, bedeckte sie mit Küssen und Thränen.― Geh, sagte ich. Und dann ging sie, rasch, noch irgend was flüsternd. ― „Engel … Engel … mein Leben ist nur mehr um zu sühnen, um es an dir gut zu machen…“
― Vielleicht haben wir uns heut das letzte Mal gesehen!― Mein Gedicht, ahnungsvoll, im vorigen Jahr: „Ich kenn ja auch das Ende ― wie’s immer kommt, mit Ekel und Betrug ―“
Abd. bei Rosenberg in St. Veit (wie am Abend nach ihrer Abreise für Wiesbaden) ―
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Arthur Schnitzler an Theodor Herzl, 21. 6. 1893
Quelle: Arthur Schnitzler: Briefe 1875–1912. Hrsg. v. Therese Nickl u. Heinrich Schnitzler. Frankfurt am Main: S. Fischer 1981.