29/4 Fand von Mz. folgenden Zettel:―
„Lieber mich elend heißen als gar keine Nachricht.― Der Frühling tödtet mich ― oh mein Gott!― Für dich wird die heimgegangene Liebe bei andern um neue werben, aber ich ich ich? Habe Mitleid, kein Erbarmen.“
Darauf schicke ich ihr folgenden, der z. Th. schon vorgestern geschrieben wurde.
„Ich schimpfe nicht, ich fluche nicht, ich erlaube mir nur einige Bemerkungen.―
Dein Aerger, daß ich nach Venedig fuhr, kann nicht der Grund deiner Untreue gewesen sein, da sie bereits, wie aus dem Inhalt eines P.schen Briefes hervorgeht, in dem er über eine Vorstellung im Ausstellungsth. (Weh den Besiegten) schreibt, vorfiel, bevor ich nach V. fuhr.―
Deinem Zweifel an der Stärke meiner Liebe hättest du vielleicht edlere Formen geben können.― Jedenfalls lag meines Erachtens in diesen Augenblickszweifeln kein Grund zu den Dingen, welche du begingst.―
Es ist allgemein nicht üblich, jemanden „zum Narren zu halten“, indem man seine Maitresse oder mindestens was ähnliches wird.― Wenn wirklich nicht einmal Sinnlichkeit deinem Verkehr mit ihm zu Grunde lag, so stehst du noch etwas niedriger als ich vermuthet; denn da muss das Vergnügen, mich zu betrügen, ganz enorm gewesen sein.―
Wenn es wirklich nur ein „zum Narren halten“ war, so wäre es vielleicht richtiger gewesen, in dem gefährlichen Moment der Entdeckung durch R. mir dieses aufrichtige Geständnis abzulegen, als die Dirne eines Haderlumpen zu werden und Monatelang zu bleiben. Was dich nach den abgelaufenen Jahren eigentlich veranlasst hat, an meiner Liebe zu zweifeln, u. zw. so energisch, daß du dich dadurch zu der ungeheuerlichsten Gemeinheit berechtigt hieltest, die ein Weib überhaupt begehen kann, bleibt ein Räthsel.―
Zweifeltest du aber wirklich, so hätte es dir um so leichter fallen müssen, mir den kleinen Zwischenfall mit dem in Wien von dir „Fallotten“ genannten Herrn P. brieflich zu gestehn, statt die Geliebte des Hn. P. zu werden.―
Deine Bemerkung: „Hätte ich geahnt, was ich dir damit anthue“ gehört zu denjenigen, nach denen überhaupt jedes Wort überflüssig ist.― Du hast nicht geahnt, was du mir anthust??!― Du?― Ja, du hast nicht geahnt, daß ich es erfahre, das ist die Wahrheit!―
Wozu widerlege ich übrigens und discutire?― Aus der Art und Weise, wie du mir durch 7 Monate geschrieben, geht so deutlich hervor, dass du immer wußtest, um was ich dich bat, wußtest, was du mir vorspielen mußtest, um meine Liebe zu erhalten,― daß du wußtest, was mich quälen könnte, und dass du den Unterschied zwischen gut und böse vortrefflich kennst. Es hat dir auch nie an moralisch entrüsteten Bemerkungen über andre Weiber gefehlt, die dir gegenüber einfach Göttinnen sind. Niemand auf der Welt hat klarer gewußt als du selbst, daß du dich benimmst, insbesondre gegen mich benimmst, wie die verworfenste sich kaum benehmen kann. Und nebstbei, mitten in deinem Leben noch die Empfindung zu haben: da existirt einer, der mich für einen Engel hält und anbetet ― das muss ein Reiz mehr gewesen sein, der nicht zu verachten war.―
Deine jetzige Reue, so aufrichtig und martervoll sie auch sein mag,― deine Ueberzeugung, daß du jetzt eine andre bist ― dein Bewußtsein daß dir ähnliches nicht mehr passiren kann, sind für mich ebenso werthlos, als mir nun in der Erinnerung deine Liebes-, Treue- und Wahrheitsschwüre sind, die du in Bereitschaft hattest, wann man sie brauchte.― Könnte Reue sühnen, so wäre das Leben ein Paradies. Im übrigen zweifle ich nicht daß du dir vor dir selber in gar nicht langer Zeit ganz geläutert erscheinen wirst; denn du behauptest ja schon heute: eine Person, die so bereut wie du jetzt, kann keine so elende sein, wie ich sie hinstelle. Für mich steht die Sache aber ganz anders: Ich sage, eine Person, die so an ihrem Geliebten (mit dem Geliebten mein’ ich jetzt mich) gehandelt hat wie du ist das verworfenste Geschöpf unter der Sonne.―
Ich glaube nicht, daß du ein Recht hast, mir allzugroße Härte vorzuwerfen; ein Fürst des Mittelalters, dem seine Geliebte ähnliches zugefügt hätte wie du mir, hätte sie foltern und tödten lassen; und jeder Mensch, der einmal in seinem Leben geliebt hat, würde ihn begriffen haben.― Schon daraus, daß du dich gegen die Worte wehrst, welche mir aus der Seele quellen, könnte ich heute ersehen, daß wir zwei wahrscheinlich immer was ganz andres unter Liebe verstanden und verschiedene Sprachen gesprochen haben.
Was du für eine Lehre aus der Geschichte gezogen haben wirst, weiss ich noch nicht: vielleicht die daß man vorsichtiger sein muss und eifersüchtige Schauspieler nicht in den Laden herumstieren lassen, oder daß es Männer gibt, die sich sehr darüber aufregen, wenn man sie betrügt, oder doch am Ende die ― daß es vielleicht mehr Glück bringt wahr zu sein als verlogen oder daß man sich die Leute, welchen man sich hingibt, doch ein bischen genauer anschauen soll ― oder die daß es sogar ein schlechtes Geschäft ist, ein liebeeingehülltes anbetungsvolles Leben hin zu schmeißen für einige Stunden, Tage oder Wochen der Wollust und des Betrugs ― das weiss ich nicht.― Es könnte mir auch gleichgiltig sein, da ja diese Lehren auf mich keine Anwendung mehr finden werden. Es ist ja möglich dass du deine Verbrechen durch gutes an einem andern sühnst?― An mir ist nichts gut zu machen, nie, nie, nie ― und wenn du ― es sind ja schon Wunder geschehn ― ein Engel in Menschengestalt würdest.― Was in mir vorgegangen ist, von der ersten an. Karte in langsamer aber grauenvoller Steigerung bis zu dem Moment wo mein Vater vor meinen Augen den Brief des Wr. Lederfabrikanten an die „Braut seines Sohnes“ las, das ist das grausamste, was je ein Weib einen Mann hat erleiden lassen.― Nicht einmal, wie es unausweichlich war, hab ich auf einmal die schauerliche Wahrheit gehört: nein, tropfenweise hat man, hast du mir dieses brennende Gift eingeflößt, an dem endlich alles Mitleid in mir, mit vielem andern guten jämmerlich zu Grund gehen mußte. Ich gesteh es dir: es ist kein Erbarmen in mir ― nur eine grenzenlose Erbitterung, die noch immer mit jeder Stunde zunimmt, und so nah mir das Erbarmen noch zu einer Zeit war, wo ich Narr wirklich zu glauben anfing, daß du nur für eine Minute der Verrücktheit büßen mußtest, so weit ist es jetzt von mir, wo ich endlich weiss, daß du mich betrogen, wenig Tage, nachdem du mich verlassen, und unter Umständen, welche deine Schuld zu der furchtbarsten machen, die je auf diesem Gebiet verübt wurde. Diese Folge von Infamien, die du verübt von dem Tage an, wo du Herrn P. in Wiesbaden begrüßtest, bis zu der letzten Stunde, die du vor 8 Tagen in meiner Wohnung verbrachtest, noch immer bei „deiner Seligkeit“ ableugnend, was noch zu leugnen war,― die könnte den mildesten, versöhnlichsten Mann zum blutgierigen Wütherich machen, und dein Glaube, daß deine jetzige Qual zu meinem Troste beitragen könnte, zeigt mir nur, daß du meinen Hass so wenig begreifst, wie du je meine Liebe begriffen hast.― Aber um die Dinge zu schreiben, die ich dir jetzt schreib, braucht man nicht zu hassen ; man braucht an der ganzen Sache gar nicht betheiligt zu sein. Die ewige Gerechtigkeit hätte keine andern Worte zur Verfügung, wenn sie über deinen schmachvollen monatelang geübten Betrug reden sollte, wie ich, wie dein einstiger Geliebter, den du so niedrig an die nichtigsten Subjekte verrathen hast, welchen ich zu viel Ehre anthäte, wenn ich sie nur hasste.―
Dir fehlt jede Entschuldigung, und die ekelhaften Ausflüchte, die du nun gar in deinem letzten Briefe versuchst, „du hast nicht geahnt, was du mir anthust, und du zweifeltest an meiner Liebe“― die sind so elend, so dumm, so feig, daß ich fast hätte sagen wollen: du solltest dich ihrer schämen, wenn ich nicht wüßte, dass es für dich dergleichen Dinge nicht gibt.― Unmenschlich findest du, was ich dir sage?― Wie soll ich dann das finden, was du gethan ?―“