Dienstag, 18. April 1893

18/4 Abend sie bei mir.― Ich gestehe;― ich hatte Angst , daß sie nicht kommen werde.― Sie kam.― Was hast du mir zu sagen?― Sie: „Ich kann ja auf deinen Brief nichts erwidern, du hast ja Recht. Aber die eine Stelle „Finde einen, der dir deine Infamie verzeiht ― und ich verzeihe dir auch ―“―“ Nun?― „Sei du dieser eine! Du bist besser und größer als alle andern ― also ― u. s. w.“ Bist du toll?― Und nun begann ich sie wieder zu beschimpfen. Ehe ich dich berühre, schieße ich mir eine Kugel durch den Kopf.― Als ich ihr wieder erklärte, ich werde mir über kurz oder lang eine andre Geliebte nehmen, wurde sie toll, schrie, weinte, rutschte auf den Knien herum. Alles, ja, aber das ertrage sie nicht. Nein, sie geht nicht weg; wenn sie auch auf mich verzichtet, sie wird mich bewachen, sie wird vor meinen Fenstern auf und abgehen.― Ich sage ihr, daß sie toll ist.― Ja ja, mag sein, aber sie könne sich nicht helfen. Ich solle ihr wenigstens Gift geben, sie will sich aus dem Weg räumen, was ist auch an so einer Dirne verloren ― aber leben, während ich eine andre Geliebte habe, nein nein.― Dann. Und ich ertrage nicht, nichts mehr von dir zu wissen ― nicht, was du arbeitest, was du für Hosen anhast ― Ich: Ich glaube dir das alles und habe nie gezweifelt, daß du mich liebst.― Aber du bist eine Lügnerin und es gibt kein Wort mehr, das ich dir je glauben könnte.― Sie: Hättest du eine Ahnung, was ich vom ersten Augenblick an litt, mein einziger Gedanke war: dich in Ruhe zu halten ― in Wien wollt ich dir alles sagen, wenn ich um dich sein könnte; ich erdachte mir alle Lügen, nur um dich nicht zu verlieren; ich hätte noch ärgres gethan,― nur um nicht fürchten zu müssen, dich zu verlieren!― Stoß mich nicht von dir.― Es ist doch nicht möglich, dass es keine Sühne gibt, wenn man so bereut und so liebt wie ich!― ― Es war herzzerreißend; ich begleitete sie bis zum Volksth. zu einem Wagen; sie wollte nicht fortfahren.

― Ich hatte sie nicht geküsst; und ihre Küsse von meinem Hals und Wangen abgewischt.― Nachher war mir wohler als seit langer Zeit, erstens, weil ich sie so unbeschreiblich leiden sah, dann weil ich mich so heiß geliebt fühle, weil es mir ganz klar ist, daß sie mich nach ihrem infamen Betrug mehr liebt als je,― und weil ich mich erinnre, daß auch ich sie nach meinem Betrug mehr liebe als je, somit die Möglichkeit, ja sogar Gewißheit außer Frage steht, insbesondre in einem Fall wie in dem unsern, wo man monatelang auseinander ist und die Sinne ein von dem Herzen getrenntes Leben führen.― Kurz: ich suche vor mir selber Grund, sie möglichst schmerzlos ― besitzen zu können.―