Dienstag, 23. August 1892

23/8 Mittag zu Haus. Unter wilden Schmerzen, namenlosen, wie ich sie nie erduldet, hab ich die Zeit vom 14.-21.― da hergeschrieben ― seit vorgestern Abend ist Mizi, die durch Jahre mein Glück, mein alles, meine einzige Seligkeit war, weg; in W.― Und sie ist fort, indem sie mir mit unerhörter Selbstüberwindung den Tag der Abreise verschwieg. So verabschiedete ich mich vorgestern von ihr, beim Omnibus, wo sie einstieg, nach Haus zu fahren, nachdem wir im Imperial dinirt ― und ich glaubte sie Montag Abend, gestern wiederzusehen. Allerdings war ihr ewiges Weinen, ihre Ohnmachten die letzten Tage verdächtig und ich fragte sie häufig ―: Reist du heute weg?― Und nun, gestern Mittag, wie ich eben von der Valenais nach Hause komm, deren Stubenmädl ich behandle, mit Zuckerln für Mz., über die ich mit der Frau mancherlei gesprochen (Elle est trop bonne et trop comme il faut pour le théâtre) ― find ich einen Brief mit dem Poststempel Westbahnhof in ihrer Schrift.― Das Herz stand mir stille ― Und in dem Brief stands.― Seit ich ihn erhalten, kann ich nur weinen, weinen, weinen.

Welch eine Nacht war das!― Nachm. nahm ich eine Einladung nach St. Veit an, es war eine Qual aber doch besser als allein. Dann Café, wo ich bis 3 spielte ― Dann zu Hause, wo ich die rasendsten Kopfschmerzen hatte, heulte, rathlos, in hilfloser Verzweiflung ― Ich war nicht auf der Klinik ― Jetzt bin ich über die Elisabethbrücke und an Anlagen vorbei gegangen, wo ich fast täglich mit ihr ging ― ich begriff, was es heißt: Mir bricht das Herz.― Es ist nicht zu sagen, wie gleichgiltig mir plötzlich alles andre ist ― auf Ruhm und Kunst pfeif ich ganz einfach: mein Wunsch ist: ein paar Jahre mit ihr und dann zusammen sterben!― Wozu denn alles andre?― Ich habe mich mein Lebtag nicht so grenzenlos elend, so schauerlich einsam gefühlt wie nun!― Es dauert gewiss Monate, bis ich sie wiedersehe.― Ich muss es immer wieder sagen ― ich spür es geradezu: mir bricht das Herz.― In zwei drei Tagen will ich weg ― aber ich habe eine wahnsinnige Angst auch vor diesen paar Tagen ― und dann! und dann! ―

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