Sonntag, 19. Juli 1891

19. 7. Sonntag.― Es ist klar, endlich muß ich etwas schreiben, mit dem ich über mich selbst hinauskomme. Zu sehr ist durch mein ureignes Gefühlsleben die Möglichkeit reinen, im höchsten Sinne künstlerischen Schaffens zu Schaden gekommen. Ich muss die Liebe überwinden, d. h. ich muß leichter lieben, und würde ich das Mädl nicht selbst besser lieben, wenn ich sie, d. h. was in ihr nicht von mir ist, besser überwände?

― Es ist ja im Grunde das einzige, was wir zu thun haben: vergangnes so zu vergessen, daß es unserm Glück nicht schaden kann ― ob aber das der Wille überhaupt vermag?― Für mich besonders ist die Subtilität des Gefühls ins ungemessne gewachsen, und nur vermöge Züchtung meiner eignen Eitelkeit könnt ich sie verringern. Ich muss daran glauben lernen, daß einem Wesen, das mir viel ist ( alles heißts in der Sprache der Liebe) nichts andres irgend was anhaben kann. Wichtiger wäre es freilich, immer nur als Theil meiner Innerlichkeit diese ganze Liebe gelten lassen, die mich so durchdringt.―

Am Mährchen hat man es so gerühmt, daß ich damit über die Autopsychologie hinauskam. Ich fühle, daß ich dieses Lob kaum verdiene. Es sind alle so in Beziehung auf mich gedacht, daß es wieder Autopsychologie ist.― Es wird noch Zeit brauchen, um überlegen zu werden. Ist diese Ueberlegung überhaupt schon der Anfang? Oder ist es nicht eigentlich wieder Sensitivität, die ihren Schmerz mißversteht oder ihn zu ihren Gunsten umdeuten möchte?

― Gewisse Aufregungen kosten mich zu viel von meiner Fähigkeit zu schaffen; es darf nicht vorkommen, daß ein Grübeln über die Vergangenheit, eine Angst, daß sie nicht tief genug ist, eine simple Erwartung ihres Kommens die Ruhe des Schaffens stört. Darf nicht!! Und wenn ich denk, daß mich heute der Kopf schmerzte, daß ich traurig war, weil sie mich vor 2 Jahren noch unklar geliebt! Meine Eitelkeit litt darunter, daß ich ihr zu einer Zeit tief, glühend schrieb, wo ihre Briefe kaum was bessres waren als Phrasen eines verdorbnen Mädels, für die ich eine neue Erscheinung der Species Mann war.― Sie hat mich damals eine Zeit lang „los werden“ wollen, sie fürchtete weiter zu fallen ― Ist es nicht was sonderbares um die Keuschheit?

― Und gerade ich wäre ihre schmählichste Erinnerung geworden, wenn es so schnell geendet hätte ― und sie auch die meine. So ist es bessre Tugend, einen Liebhaber zu behalten und sich seiner Person gründlich unterzuordnen, als sich aus seinen Armen zu erheben und die Erinnerung an einen Sinnenrausch zu haben ― denn keusch werden heißt oft nichts andres als ein verlornes Laster still beweinen!

Abend.― Ich war mit Falk Schupp nachtmahlen! Dieses merkwürdige Gemisch naiver Lebenskunst und psvchol. Tüftelei. Zahntechniker, jetzt angehender Schauspieler; von einer naiven Indiscretion, voll Interesse am Schönen, ohne klar zu sein ― aber von einer sympathischen Unklarheit, die wohlthut wie Morgendämmerung, während der man im Bett bleiben kann.

Dörmann: er deutet den Rhythmus seiner Empfindung in Stimmung um.―

Es liegt was tragisches drin, wie alles mich drängt, das Märchen zu veröffentlichen. Und wenns kein Theater nimmt ― die Fr. B. nimmts sofort mit Freuden. Ich habe wie vielleicht selten noch wer die Sicherheit meines liter. Namens im Laufe des nächsten Jahrs in der Tasche ― und kann nicht damit heraus.― Heute fing ich schon an Komödie zu spielen ― zu sagen, mich ekelt vor dem Stück.