Mittwoch, 29. April 1891

29. 4. Mz. Nachm. bei mir.― Sie muss nach Brünn.― in meinen Schmerz über die neuerliche Trennung mischte sich zweifellos ein Gran Befriedigung.― Der Grund dafür: diese Stunden der Wartenervosität los zu sein, und ich glaube in Ruhe arbeiten zu können.

― Jetzt wo ich diese Zeilen schreibe, ist diese Befriedigung wieder weggefallen, es ist mir einfach schrecklich.―

In 2 Monaten ist sie wieder da, auch in der Zwischenzeit kommt sie wohl ein paar Mal ― aber dann die nächste Saison ― von dem was werden soll, gar nicht zu reden.―

Abds. war ich bei ihr; das erste Mal bei ihr und der alten in Wien genachtmahlt. Das leere Zimmer, ärmlich, mit den Koffern und Kisten, schlechter Beleuchtung. Der Alkoven.― Ich fühlte mich ganz behaglich.― Merkwürdiger Weise störten mich die Schatten der Vergangenheit, die mich in diesen verdammten Räumen umschweben sollten, sehr wenig. Selbst die elementarsten psychol. Vorgänge sind bei complicirten Naturen nicht im vorhinein zu berechnen.―

Unangenehm ist mir meine eigene immerwährende Beobachtung in den süßesten Stunden.― Und immer wieder will man die göttliche Lüge hören, daß man „doch“ eigentlich der erste sei, bei dem man das empfinde. Und wie glücklich ist man, wenn man diese Lüge wieder einmal erpresst hat. (3).

1891-04-29