Montag, 8. Dezember 1890

8. December, Montag Feiertag Nachmittag ― Wien.

Ich bin zu Hause ― im Gefühl einer grenzenlosen Einsamkeit ―

― Es ist auch schrecklich, schrecklich.―

Ich blieb bis 4. Oktober in Salzburg ― sah sie noch in den ersten Rollen. Die schrecklichen Sensationen des Umschlungenwerdens auf der Bühne.― Die Abreise.―

Wie ich Abend, am letzten Abend in dem Hotelzimmer mit ihnen sass; und wie wir pfiffen und sangen, während uns die Thränen über die Wangen rannen.― Und seitdem ein ununterbrochenes kaum einen Augenblick gemildertes Weh, das nicht zu schildern, kaum zu begreifen ist.―

Die furchtbare Sehnsucht; die ununterbrochene Eifersucht auf die Vergangenheit ― (les nausées du passé!) diese Hallucinationen, diese Bilder, die mich verrückt machen ― dann die stille Angst, daß sie mich nicht ebenso lieben kann wie ich, dann das Zittern vor der ungewissen Zukunft.

― Ich war 3mal dort bisher, Briefe ausnahmslos jeden Tag ― es hat sich absolut nichts (außer den äußern Verhältnissen) geändert ― Das Dortsein Balsam, Balsam ― trotzdem das physische kaum mitspielt ― Gerade darunter leide ich zu meinem Erstaunen am wenigsten ―

― Meine Rettung hier nur ihr Brief, der tagtäglich Vormittags kommt. Sie vertraut auf mich, ist glücklich, weil sie sich so geliebt weiss ― hat große Erfolge auf der Bühne.― Es ist nur natürlich, daß sie das Alleinsein weniger empfindet (sie gesteht es natürlich nicht zu) aber mich macht es zeitweise rein verrückt ―

Fürchterlich war mir ihr Erfolg als Alma.

Olga.― Sie war hier, war bei Kohnbergers einige Male mit ihr zusammen; sie war zuweilen zärtlich, ich empfand nichts, absolut nichts.― Warum ich sie nicht nehme?― Aus Treue?― Ja, nur ist diese Treue ein sehr complicirtes Ding.― Es ist evident, daß in dem Augenblick, wo O. meine Geliebte würde,― ich mein Vertrauen zu Mz. verlöre ― da ich ja daraus ersehen müßte, dass man auch betrügen kann, wenn man heiß liebt.―

Dann widerstrebt es mir, diese Frau zu besitzen, ohne dass ich sie liebe.―

Dann find, ich auch kein warmes Wort der Empfindung für sie, ― weil ich eben immer und immer an Mz. denke; fixe Idee, Tag und Nacht, es ist unfaßbar.―

― Was ich ihr nur zusammenschreibe! Versteht sie mich ganz, wirklich?― O. würde mich besser verstehen, ich müßt ihr aber einige Dummheiten austreiben ― Das schreib ich so her ― sie ist mir so absolut, absolut gleichgiltig!―

Chronik, Oktober

(Salzburg)

1890-12-08