Sonntag, 30. November 1890

30. In S. (2). Herrlicher Tag.―

2.

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Details.― (Aus Salzburg.)

Wie ich in der Garderobe auf dem Korb sitze, während sie sich anzieht im Nebenzimmer.

Die erste Wohnung im Kasererbräu.

Pekarek, der Contrabassist aus Würzburg, der die ersten Tage immer mit ist.

Die Fahrt auf den Gaisberg ― Trüber Tag.― Steigerung der trüben Stimmung durch die glücklichen Hochzeitsreisenden ―

Goldmanns Brief, wo er mir plötzlich Mz. verleidet.

Goldm., der die Empfindung hat, wenn er mir von seinen Leiden erzählt, dass es mich eigentlich nicht tief berührt.― Entfremdung.― Ewig mein Egoismus.― Wirklich etwas Entfremdung. Der erste Grund sicher, weil mich seine plötzliche Urtheilsänderung tief verstimmte.

Fritz verheiratet; bin eigentlich schrecklich allein. Keinen intimen Verkehr hier.― „Schmerzensprotz.“

Neue Leute: Leo Vanjung. Rich. Beer-Hofmann.― Rob. Hirschfeld.― Nirgends wirklich warmer Verkehr ― schließe mich selbst immer mehr ab; weil ich fühle, daß ich für einen Egoisten gehalten werde.― Bin es kaum mehr wie andre; nur nonchalanter und zerstreuter, und durch meine constante so begründete Verstimmung für die Leiden andrer wirklich wenig interessirt.― D. h. Goldmann, Leiden materiell ― sehe ihn dabei doch soweit gut leben, er isst, trinkt wie ich ― glaube an das Elend nicht; es wird ihm auch sicher gut gehen. Beschönige damit meine Interesselosigkeit nicht ― constatire sie nur.

Wieder bei Dora manchmal. Alles läßt mich kalt.

Olga riesig elegant, spricht zu viel davon, nichts naives in der Elegance; weiss, daß ich eine Geliebte habe.―

Morgenstimmung; eigentümlich, fast kühl gegen Mz. ― um eilf, wenn ich nach Hause eile wegen des Briefes, hochgradige Aufregung, Herzklopfen, schneller Athem.― Etwas Befreiung, nachdem ich geantwortet.―

Der Besitz Olgas hätte doch wohl auch etwas wohlthuendes für mich: das gemeine Gefühl: nun, für jeden Fall hab ich dich schon betrogen ― wir können höchstens quitt werden ―

Alkandis Lied in Breslau „fast“ angenommen.

Begann das „Mährchen“ zu schreiben. „Das Mährchen von der Gefallenen.“ Befreie mich.― Psychologisches aus meinem Verhältnis mit Mz. ― auch viel äußere Umstände ― hoffe, daß es gelingt! ― hoffe!―

Medizin, wie früher. Das aufstehen des morgens, das in den Hals schauen ― halt es eben aus, weil ichs aushalten muss, es ist aber entsetzlich.

― Zu Hause leidliches Verhältnis; man hat sich mit manchem abgefunden; gegenseitige Nachsicht. Liebe meine Eltern außerordentlich; sie sind aber ethisch in meiner Auffassung nicht hoch.―

Ich ethisch auch ziemlich tief. Nur eins, ein Fortschritt, Kenntnis meiner selbst.

Intellectuell mein Selbstbewußtsein in letzter Zeit entschieden gestiegen. Die Leute mir eigentlich enorm gleichgiltig.

„Mährchen“ soll ein 3aktiges Schauspiel sein.―

Die Blasirten Mitte des 2. Aktes stehen geblieben.

Dezember Chronik