Mittwoch, 2. April 1890

2/4 Mittwoch Nachmittag ―

Einsam, ungewiss, ob sie kommt, da sie gestern noch unwohl war. Kann nichts machen. Ich bin einfach unfähig etwas andres zu empfinden, zu denken, als Mizi und ewig Mizi. Wenn ich sie erwarte und sie läßt warten, hab ich das reine Fieber. Die letzten Wochen waren wunderschön. Wir waren Tag für Tag beisammen, manchmal selig ― zum weinen. Zuweilen brutale Eifersuchtsscenen wegen der Vergangenheit.

Olga neulich. Sie schrieb mir oft, warm, fast leidenschaftlich aus Meran.― Vor ein paar Tagen Rendezvous im Künstlerhaus. Sie war ganz glühend. Wir gingen im Belvederegarten spazieren. Wenn nicht die Furcht vor einer Entdeckung wäre und was dann aus ihr würde „werd ich morgen, was Sie wollen“ sagte sie ― „Man kann einen Menschen nicht mehr lieben, als ich Sie“ „wenn ich von Ihnen weggehe, bin ich [wie] in einem seligen Rausch“ ― „Sagen Sie mir, daß Sie mich lieben“ ― Und ich sagte ihr: Ich bete Sie an! Warum eigentlich? ― Sie ist mir doch eigentlich jetzt beinahe gleichgiltig.― [Nur] Mizi!― Von ihr eilte ich nach Hause, wo das süße Mädl schon auf mich wartete. Dabei konnt ich mich nicht recht schuldig fühlen. Sonderbar eigentlich.

Hel. H. war bei meiner Schwester, ließ sich die Sache aufklären, war riesig froh, daß auf meiner Seite keine Schuld lag, ich solle nur gleich mit ihrem Vater sprechen ― sie selbst werde noch heute sprechen ― am Tag drauf könnte sie sich auf dem Ball bei Zierer mit mir aussprechen, und am Dinstag „hoff ich dir das beste melden zu können“ ― So schied sie von meiner Schwester. Und am Abend darauf verlobt sie sich mit Herrn B., der das sechste Mal um sie anhielt!―

Ich erfuhr die Verlobung früher als jenes Gespräch mit meiner Schwester.

― Meine Schwester war paff.― Sie (Helene) erklärte dann ― als meine Schwester ihr einen Gratulationsbesuch machte ― es sei „doch ein Makel auf mir geblieben“ ― und sie gewinnt ihren Bräutigam mit jedem Tag lieber ―

Ist mir alles so, so gleichgiltig ―

Mz. kommt nicht und ich bin wie ausgebrannt, öd.

Alle Gesellschaften fad, nirgends ein Interesse.

Nossig, Sokal, Gelber ein paar neue Bekannte.

Ansätze zu einem lit. Verein Jung Wien: Poestion, Lemmermayer, Steiner, List, Wodiczka, Ludaßy, Klein, Breitenstein, Goldmann, ich.

Medizin unleidlich.

Pläne wohl; Ausführung durch meine grenzenlose Nervosität und Unruhe unmöglich.―

Manchmal ein wüster Schmerz.

[April 1/5 Chronik]

2. 4. Brief vom Fenster.