Mittwoch, 5. Februar 1890

5/2 Mittwoch.― Abend. Heute ist Ball neben mir, bei Rosenbergs, vorher gehe ich noch zu einem Ball bei Springers, sollte eigentlich dessentwegen aufgeregt sein, bins aber, wenn ich mich auf Gewissen frage nicht, gar nicht. Es hat sich mancherlei ereignet. Man hat sich durch meinen Onkel Edm. bei ihrem Hel. Onkel nach den mat. Verhältnissen erkundigen lassen. Man ist dort abgeneigt und gab ganz ungenügend Auskunft ― etc.― Nun aber kam Hel. das zu Ohren. Ein paar Abende auf Bällen hatte ich wieder mit ihr geplaudert, viel, lang. Ich selbst wurde nie warm, gar nicht, weil mir meine unglaublich tolle Leidenschaft für Mizi alles andre beinahe ganz gleichgiltig macht. Aus ihren Augen und Worten aber strahlte die Liebe! Ich bin nicht einmal ordentlich eitel darauf, sehe zu klar. Nun hat Helene von jener Erkundigung gehört, und offenbar ists ihr so erzählt worden: „Der, siehst du, will dein Geld“ um zugleich für eine der berühmten guten Partien Propaganda zu machen. Sie ist nun, wie mir Cousine Else erzählt, ganz wahnsinnig, isst nicht, schläft nicht. Wahrscheinlich weil sie „fühlt“, dass sie sich in mir getäuscht hat. Und heute spreche ich sie wahrscheinlich bei Springers, daher sollt ich aufgeregt sein ― und bins nicht! Viel eher deswegen, weil ich heute den ganzen Tag Mizi nicht gesehn habe, was eine enorme Seltenheit ist. Nebstbei schreibt sie mir [wohl] dass sie unwohl ist. So ein Tag ohne dieses Mädl ist mir ganz leer.―

Sie kommt meist nach dem Conservatorium um ½6, dann bleibt sie eine halbe Stunde, eine, auch länger. Dann begleit ich sie nach Hause. Und immer diese heiße, fertige, reife Liebe ― zugleich mit aller Süßigkeit einer ersten Jugendliebe. Wir glauben beide ganz im Ernst, dass sich noch nie zwei Leute je so geliebt haben wie wir.― Dann wieder fabelhafte Eifersuchtsscenen ― Ich ihr, sie mir. Ich wegen dieser unsterblichen Vergangenheit, die mich peinigt. Nicht los zu kriegen! nein nie, nur mit der Liebe selber. Und dann, weil sie an ein Engagement für den Winter weg von hier denkt. Kann sich dabei nicht entschließen. Und wir quälen uns ― und küssen uns, sind unglückselig und dann wieder glücklich zum toll werden ― so himmlisch, so unsinnig, wie ichs nie war. Und wenn ich sie erwarte, kann ich nichts machen, kurz wie ein Kind, lauf noch vor ihre Fenster ― als wär ich ein lyrischer Jüngling, nicht ein Mann! Aber schön ists doch und mich schauert vor dem Ende!

― Auch bei Jean. hats mich vor dem Ende geschauert, und schließlich hab ichs herbeigesehnt.

― Aber Mz. ist doch was andres; wie ursprünglich, wie jung, wie süss. Und schön ― schön! ― Neulich, in einem Concert, hat Adele, Fritzens Braut, sie gesehn, ohne zu wissen, wer sie ist, und war paff.― O ich Tropf! heute schon weiss ich, wie komisch mir das vorkommen wird, wenn ichs einmal lese.― Arbeiten thu ich nichts ― rein nichts. Verbummle die Vormittage im Caféhause ― ohne Reue sogar! ― lese Nachmittag einen Roman, bis Mizi kommt ― da wirds dann 7, 8, 9 ― ich geh nachtmahlen, dann ins Café, mit Fritz und Goldmann plaudern, manchmal spiel ich auch. Theater selten, weil ich dadurch um ¼ Stunde Mizi kommen könnte

[Feber]

5. Mz. nicht da. Leer.

Ball Springers.

Rosenbergs. Else Schlesinger.―