Mittwoch, 21. August 1889

Wien 21. August 89, Mittwoch Nm.―

Keine Ruhe.― Es kam keine Nachricht von Mizi. Am Morgen, nach jenem Fest, rief mich Olga zu sich hinauf, mir ein Bild zu zeigen. Sie sagte: Sie lieben mich nicht mehr; Sie lieben eine andre. Ich sagte natürlich Oh nein. Und sie reichte mir die Lippen hin, gab mir einen langen, innigen Kuss Später fiel mir ein, dass ich mich kaum daran erinner. Aus solchen Dingen kann ich sehen, wie tief mir dieses Mädel im Herzen sitzt. So kam es auch, dass es mich in Rchn. nicht hielt ― trotz Olga, trotzdem diese herrliche Frau, das Abenteuer meines Lebens selbst mich bat. Nun, unter einem nichtigen Vorwand reiste ich gestern früh ab. Und warum? Weil ich Mizi geschrieben hatte, ich werde Dinstag Nachm. jedenfalls „dort“ ― am Muttergottesbild sein. Dabei hatte ich doch nichts von ihr vernommen; es war also klar, dass sie meine Briefe überhaupt noch nicht hatte abholen können. Ich fuhr also hin ― komme an ― Gewitter. Ich gehe hin. Es wird schön ― Ich warte, warte, warte ― Sie kam nicht. Ich ging dort am Feldesrain und durch den Wald spazieren, jedes Blattsäuseln mißhörend. Bald glaubt ich sie zu hören, bald sie zu sehen; es war eine Qual. Und dann fuhr ich nach Wien. Wohin zog es mich? In die Einsamkeit? Nein ―! Zu Jeanette? ― Nein ― Zu einer ganz gemeinen Dirne verfügt ich mich um Mitternacht. Soll man da lachen? Oder psychophysiol. Studien machen ―? ― Heute ist es schön; zehn Mal war ich auf dem Sprunge, wieder aufs gute Glück hinauszufahren. Schließlich blieb ich hier sitzen. Und noch immer kein Wort von ihr.― Nichts, nichts zieht mich an; zu nichts hab ich Lust oder Ruhe. Jeanette hab ich von meinem Hiersein noch nicht verständigt; die Sehnsucht nach Mizi plagt mich verrückt. Dabei diese Ungewißheit, die mich entnervt.― Dazu mischt sich jetzt natürlich schon die Eifersucht. Dass sie jetzt ― an den frühern denkt statt an mich.― In Ischl hat Adele wieder mächtig mit mir geflirtet und machte mir Hoffnungen. Justament erzählte ich ihr, dass ich mich über ihre Luderhaftigkeit in den Armen einer andern (ich dachte an Mz.) sehr angenehm getröstet habe.― An einem Nachmittag, an dem ich von ihr Abschied nahm, gab es wieder Zärtlichkeiten. Abgesehen von rein physiologischen Momenten ging das alles spurlos vorbei. Ich bin förmlich krank vor Begier nach dem süßen Mädl, und sicher macht die fürchterliche Ungewißheit die Sache noch toller. Unmöglich was zu thun ― Doch schrieb ich in Rchn. einige auf Olga bezügliche Gedichte, die aber deutlich die Gefühlsdecadence verrathen ― Und doch überkam mich manchmal ein süßes Wohlsein in Olgas Nähe. Ganz aber konnt ich mich nicht hinein empfinden ― Ich dachte, wie ich vor 3 Jahren an derselben Stelle gesessen war und fiebrisch gewartet, dass sie sich am Fenster zeige Diesmal war ich schrecklich ruhig.― Es ist räthselhaft. Ob es mir wieder so gehen möcht wie vor Jahren, wenn ich lange draußen wäre? ― Und ob ich Mizi ganz vergessen könnte, wenn Olga meine Geliebte würde ―? Olga betonte wieder stark ihre Keuschheit. Auf ein Gedicht in der bl. D. (Liebesgeständnis) anspielend, das mich allerdings nicht von einer sehr vertrauenswürdigen Seite zeigt, sagte sie: „Wie schlau war ich!“ ― Sc. offenbar, dass sie widerstanden hatte ― ― Jean. schrieb sehr jammervollen Brief ― hoffend, „alles Elend wird vorbei sein“ wenn ich zurückkomm’.

[August Chronik.]

21. Oper, Lohengrin.