Donnerstag, 28. März 1889

Am 28. März Donnerstag nach der Ordinationsstunde ―

Wem hab ich ordinirt ― ? Mizi R. ― sie ist bös weggegangen, launenhaft ― Was ists eigentlich? Im November auf der Gasse getroffen ―

Dann auf der Redoute, wo ich um halb drei Uhr Nachts mit Eugen Brüll hinkam ― Eben sauste sie mit Kuwazl vorüber ― Dann hinunter ins Caféhaus; mit ihr nach Hause gefahren ― Ein reizendes Köpferl, für den weißen Spitzenpolster geschaffen. Wienerin, Mutterwitz, Grazie. Doch eigentlich nichts wahres. Es schien, als wenn in ihren Küssen was liegen sollte! „Dinstag komm ich zu dir“ ― Natürlich kam sie nicht. Dann ein paar Mal auf der Straße ― Mittlerweile erfahren, dass sie bei aller Frische und Frechheit unnahbar ist ― Verhältnis, aber platonisch, mit meinem Nachbar (kenn ihn nicht) Eugen B. Sie selbst sagt, früher hätte er sie haben können, jetzt nicht mehr. Vor acht Tagen komm ich nach Hause ― von meiner Schwester ― sitzt sie in meinem Zimmer ― mit Kuwazl, der zufällig auch da ist. Hat eine Halsentzündung. Seitdem ein paar Mal Nachmittag da ― Weiss, dass ich eine Geliebte habe ― deutet an, dass nur das sie hindre, die meine zu werden. Läßt sich küssen und küsst. Ist toll, süss und jung ― Immer die rothgrüne Ampel! Nur Licht von meinem Lichte?― Will aber immer ihren Willen, ach nein, ihre Laune haben. Heute also bös von dannen ― Es scheint, dass ich mich ärgre, weiss aber selber nicht recht!

Einige Male war ich bei Adele Sp. oben ― Hinundhergerede, Schluss immer Küsse, manchmal ganz wahnsinnige. Sie kommt sich sehr großartig vor, spielt auch ein bissel Komödie ― Aber „mein“ werden ― nein! Warum eigentlich: Manchmal Mittags Rendezvous in der Stadt ― in der letzten Viertelstunde liebt sie mich gewöhnlich. Samstag auf einem Ball zusammen ― ein Tanz ― bin mit ihrem Mann brouillirt. Hätte Sonntag auf einem Ball mit ihr sein sollen, kam nicht hin; „aus“.

Gisela M. war mir zu langweilig und hatte Fehler in der Toilette, die mich disgustirten. Ich war brutal mit ihr und kümmerte mich nicht weiter.

Ihre Schwester Olga wollte sich mir auf einem Maskenball interessant machen.

Malvine kam mit ihrer Schwester zu mir, eine Karte aufs Poliklinikkränzchen holen, revanchirte sich durch einige Zärtlichkeiten auf dem Balle ―

Gisela A. verschwamm ins nichts, nachdem wir auf einigen Kegelabenden zärtlich geplaudert.

Zur Zeit, da meine Schwester heiratete, kam Helene H. auf die Oberfläche. Sie war chic, reizend, anmutig. War meine Kranzeldame. Dachte sogar sie zu heiraten. Es blitzte mir ein paar Mal aus ihren Augen und Worten entgegen. Nun seh ich sie wieder ein paar Monate nicht.

Jeanette! ― Ach ― Wenn ich so in der Nacht aufstehe, mich loswinde aus diesen Armen, die mir eigentlich nichts mehr bedeuten, die mir nur mehr warm, aber nicht mehr süß sind ― Sie fühlt es ja, aber sie will es doch eigentlich nicht glauben. Natürlich kann ich sie nicht verlassen ― Und was hält mich ― Mitleid, Bequemlichkeit, Gewohnheit. Wie nervös sie mich manchmal macht ― Ihre Stimme, ihre dummen Fragen, ja manchmal ihre Berührung ― Sie sitzt zu Hause und stickt. Ein armes Mädel, der ich heute eben alles bin. Sie merkt meine üblen Launen, ist eifersüchtig, quält sich und mich. Dann gibt es Scenen! Sie kriegt Herzkrämpfe, ich sollte erschüttert sein und bin eigentlich doch nur gepeinigt, möchte aus der Haut fahren. Dann küsst sie mir die Hand und bittet mich um Verzeihung. Wir liegen im Bett, ich esse Orangen und langweile mich, denke, dass ich wieder aufstehen muss mitten in der Nacht, nach Hause. Alles ist nur mehr peripherer Reiz, nichts centrales. Ich habe das Gefühl: Lieber eine Dirne, nur etwas neues ― neue Lippen, einen neuen Seufzer. Alle andern begehr ich heißer wie sie, die Geliebte. Der „dritte Polster“ liegt daneben, Le troisième Oreiller von Catulle Mendès ― der unsichtbare Polster, auf dem ein andres Kopferl liegt, und ich umarme eine andre, wenn sie, sie, Jeanette sich an mich schmiegt und mich verlangt!

― Es gibt wohl Stunden, wo die alte Zeit wieder auftaucht, wo mich ihre Liebe mit milder Süßigkeit umgibt aber es geht zu Ende! Die jämmerliche Agonie kommt, die sich wahrscheinlich noch lang hinziehen wird, unter scheinbaren Besserungen das neue Leben,das manchmal vorgetäuscht wird ist das lange Sterben ―!

Literarisches. „Episode“ ein Einakter ― Sonnenthal sehr befriedigt, nur der Schluss ist für das große Publicum nicht, soll ihn ändern für ein größres Publicum ― 18/2 89.

Wahnsinn meines Freundes Y. war in der Blauen Donau am 15. Jänner abgedruckt.

Beschäftigung mit dem Hypnotismus. Interessante Experimente.

Mediz. Arbeit in der Int. kl. Rundschau Ueber functionelle Aphonie und deren Behandlung durch Hypnose und Suggestion.

Am 13.3. passirte meinem Freund Max Friedmann das Unglück, Richard Schneider auf dem Fechtboden beim Assautiren todtzustechen.

Fritz verlobt, mit Adele C.

Meine Schwester heiratete am 6. Jänner Doctor Mark. H. alte Liebe.

Eine Bemerkung Jean.: Dein Hochzeitstag ist mein Todestag.

Auf einigen Maskenbällen langweilte ich mich.

Im Comité des Poliklinikkränzchens gewesen.

Schwester der Lola Beeth auf 2 Bällen.

Vormittag im Arkadencafé mit Fritz, Theod. Friedmann, Rudinger.

[Chronica.]―

28/3 Mz. bei mir

Frl. Singer

bei [chon.] Gisa

1889-03-28