Montag, 10. Dezember 1888

10/12 Montag:

Bei Jean. Tag für Tag. Manchmal Lothar mit uns soupirend.―

Dabei dies und das. Adele. Nachmittage bei ihr. Am 3. Oktober nach Verabredung dort erschienen. Einige Tage darauf erste Küsse. Später sie hingebender. Sinnliche Atmosphäre in dem Salon. Eigentlich viel Komödie von ihr und von mir. Das letzte Mal schon sehr heiss. Sie posirt mit den Augen, legt unendlich viel hinein.

Gisela, die vor vier oder fünf Jahren heiratete, aus Leoben wieder hier. Schrieb mir anonym. Entdeckte sich. Trafen uns da und dort. Liebt mich angeblich. Im Kfh. mit ihr zusammen. Einmal bei ihrer Schwester, Mela, gleichfalls verheiratet. In der letzten Zeit; sie ein paar Mal bei mir, in der „Ordin.“. Häufig schrieb sie mir, dass sie mich nie wiedersehen wolle; besonders das letzte Mal, wo sie fast schon mein ward ― ich hab ihr nicht geantwortet, und sie läßt sich nicht mehr sehen.

Gisela A. Sonderbar. Wieder in der Kegelbahn Arkadencafé. Immer wieder entsteht die alte sexuelle Polarität zwischen uns, wenn wir uns wiedersehen. Auch sie liebt mich angeblich.

Mirzl Rosner. Straßenbekanntschaft. Erste Begegnung klang sonderbar aus, als ich sagte: Noch lieb ich sie nicht.

Assistent an der Polikl. Hypnotische Versuche.

Hausordination. [Jean.] Brody, (Tbc. lar.), Anna Leopold (Tbc. lar.) Agathe Nelken (Hyst.), Rosenberg, Steinfeld, und ein andrer.

Praxis außer dem Hause. Comtesse Ostrowska (Tbc.). Miss Ridell (Tbc.) General Lawton (Anaesth. radial. post. embol.) etc.

Schriftstellerei

Anatols Hochzeitsmorgen verändert.

Episode geschrieben.

Mancherlei Einfälle.

Oppenheim hat „keine Zeit“ die Episode zu lesen. Fischer in Berlin glaubt, mit dram. Plauderein kein Geschäft zu machen, Mamroth (blaue Donau) nimmt „Wahnsinn Y.“ mit schmeichelhaftem Würdigungsbrief entgegen, zeigt sich im persönlichen Verkehr äußerst hochachtungsvoll.―

Rosa Sternlichts Verlobung mit Doctor Hochsinger.

Fännchen hat Lawner geheiratet.

Manchmal Spiel. Constantes Unglück. Daher nie in finanzieller Ordnung.

Kuwazl kommt zuweilen Poker spielen. Ist der alte. Leichtsinnig, nicht vertrauenswürdig; angenehmer Gesellschafter.

Adolf augenblicklich mit Rheum. arter. ac. im Rudolfspital Abteilung Hofmokl.

In meiner Correspondenz mit Olga lange Pausen. Heute schrieb ich ihr; sehr gekränkt, geradezu echt.

Lothar manchmal bei mir, oder mit mir bei Jean. „Poussirt“ mich. Soll die Medizin an den Nagel hängen, prophezeit es mir.

Will „Abenteuer“ „Hochzeitsmorgen“ „Episode“ „Erinnerungen“ unter dem Titel „Treue“ herausgeben.

Im ganzen wohler; weniger hypochondrisch, hoffnungsfreudiger. Besonders literarisch. Durch Weiber angenehm angeregt.

Richard Horn süss und dumpf.

Markus Hajek hat sich im Oktober mit meiner Schwester verlobt.

Helene H. bei Elias. Beim Champagner: „Darauf dass Sie zielbewußter werden (auf meine eingestandene Energielosigkeit hin) in jeder Beziehung.“

Fritz. Verlobt mit Adele, ab und zu bei mir, ist recht zerstreut, aber stets ungemein sympathisch.―

Arbeite, aber eigentlich nicht ernstlich, über Neurose des Larynx.

Schreibe diese Zeilen, in Jean. einfachem Zimmer, dieweil sie, mir gegenüber, emsig stickt, zuweilen zu mir herüberguckt, ahnungslos, wie verschiedne Namen auf diese Blätter hingekritzelt werden.

[Chronika geschr. 27/3 89.]

10/12 Montag z. H.