Montag, 1. Februar 1886

1/2 Montag Nachm. Also wie es scheint amüsir, ich mich heuer. Ich bin viel im Theater, in Concerten, und habe in dieser Beziehung eine entschieden gesteigerte Genussfähigkeit. Insbesondre musikalisch empfind’ ich voller und klarer. Das Theater bietet mir, da literarisch-aesth. Ausbeute eigentlich wenig zu holen ist, einerseits als Unterhaltungslocal Vergnügen, anderseits interessiren mich die Premièren, von denen ich die Mehrzahl mir ansehe. Künstlerisch angeregt wurde man von dem, was ich heuer sah, nicht viel. Das Faschingsleben hat noch nicht ganz kräftig eingesetzt, neulich auf dem Costumefest, wo ich mich als „Strizzi“ in einer nicht übeln Maske einfand, begegnete mir unter andern Fännchen als Wäscherin, Fanny M. als Deutschmeister, Frl. Kron (s. Pfeiferalm) als Slovakin, etc. etc.― Dann jenes Ischler Käthchen als … Stubenmädchen. Leider bin ich ― bei Gelegenheit des Faschings fallts mir am furchtbarsten ein ― finanziell riesig derout, woran zum großen Theil ein sehr interessantes, aber für mich eben zu theures Spiel ― der Poker die Hauptschuld trägt. Ja ― die Schuld der Schulden! ―

Im übrigen bin ich nur physisch nicht so ganz wohl, ― wenn die zwei letzterwähnten Uebelstände nicht wären, könnte ich mich heuer, wie ich glaube, fürtrefflich unterhalten.― Meine Zeit geht wie folgt dahin: In der frühe 8, ½9 gehe ich auf die Abtheilung für int. Medizin zu Standthartner, wo ich diesen oder jenen Patienten untersuche. Dann ins Caféhaus, wo ich frühstücke, Zeitung lese, und eine Kalakaupartie mit einem sichern Hrn. Wolf spiele, die mich aus einer bei mir fast jeden Vormittag bestehenden unendlichen Schläfrigkeit aufzurütteln pflegt. Um 12 Uhr auf die Nervenabtheilung des Prof. Benedikt, wo mich manchmal ein oder der andre Fall anregt. Dann nach Hause. Nach Tisch wird irgend was gelesen ― oder aufs Eis gegangen ― oder ganz nutzlos gebummelt; dann Caféhaus, wo bis in die letzte Zeit häufig Karten gespielt wurde. Dann Theater oder Gesellschaft oder nach Hause.

― So gings bis heute. Ich will nämlich mein Leben nutzbringender gestalten; weniger Zeit verbummeln, das Caféhaus muss in den Hintergrund treten. Vor allem will ich literarisch arbeiten. Im Oktober schrieb ich einen großen Theil einer Novelle „Menschenliebe“. Sie soll fortgesetzt, beendet werden. Auch Medizin muss energischer getrieben werden, was sich im übrigen nächstens von selber ergeben wird, indem ich auf die Klinik Nothnagel als Aspirant eintrete, als College einer ganzen Menge von Leuten, die ich nicht leiden kann. Das Amüsement, Theater, Bälle etc. braucht nicht zu leiden. Im Gegentheil, überaus gerne würde ich noch einen Theil meiner Zeit auf ein bisher noch nicht erwähntes Amüsement verwenden, auf ein kleines süßes Amüsement mit rothen Lippen, großen Augen … mais hélas ― ich armer nenne jetzt kein holdes Lieb ― mein eigen ― ja nicht einmal von einer Liebelei könnt ich singen und sagen.

― Es ist nemlich wirklich zu dumm, was für ein elender Bummler ich bin, und Fanny M., die im Grunde was von mir hält, macht mich, so oft ― oder so selten ich hinaufkomme, wegen meiner Nachlässigkeit aus. Dabei noch die Hypochondrie zu meinem Leichtsinn dazu ― alles in allem ein unverdauliches Stimmungsragout. Einige Wochen lang konnt’ ich Ausreden für meine Faulheit ins Gefecht führen. Im November schrieb ich ein Festspiel, im Dezember gab es Proben, und am 6. Jänner wurde zu Ehren meines Vaters, der sein 25j. Jubiläum als Arzt und Redakteur feierte, die Frucht dieser „Arbeit“ vor einem erlesenen Publicum aufgeführt. Es waren unter andern anwesend Sonnenthal, Wolter, Intendant Bezecny, Propst Marschall, der Prinz von Coburg, Graf Mensdorff und sehr viele andre Nobilitäten. Mein Stück ― ein sehr schwaches „Werk“, in dem nur einige gute Witze waren, und das durch seine Actualität immerhin wirkte, war in drei Bilder eingetheilt. Ich will die Besetzung hierher eintragen.

1. Bild. Im Riedhof.

Doctor Schröffel Julius

Doctor Sch. Ich

Werner, Mediziner Gustav

Wild, Mediziner Otto

Wurzel, ein alter Student Peter v. Suppé

Arpad Bachrich

Janos Lichtenstern

Aennchen Elsa Markbreiter

Studenten: Richard Tausenau, Richard Horn, Fritz Kapper, Alekko Mandl, Emil Brüll, Gabor Nobl, Max Weinberg

2. Bild. Im Redaktionslocale.

Doctor Schn. Ich

Louise Gisa

Göttlich Julius

Agathe Adorini, eine Gesangselevin Olga

Stiefel, Mediziner Gustav

Ein eleganter Patient Rich. Horn

Druckerjunge Raoul Markbreiter

3. Bild. Beim Herrn Regierungsrat.

Professor Sch. Ich

Comtesse Adele Gisa Frid

Comtesse Elsbeth Else Markbreiter

Mondberg, Schauspieler Fritz Fürst

Hellmers, Tenor Gustav

Wurzel Peter v. Suppé

Frl. Weiser Olga

Patienten: Fritz Kapper, Max Weinberg, Rich. Horn

Das Stückchen fand viel Beifall, insbesondre Fürst als falscher Sonnenthal, meine Cousine Olga etc.― Auch die Zeitungen brachten einiges drüber.

Die Zeit der Proben war im größten und ganzen recht lustig.―

Auf dem Eise, das ich in der letzten Zeit sehr wenig frequentirt habe, beschäftigte ich mich mit Gisela A. (meine einstige Kranzeljungfer) Helene H. u. v. v. a.

Nixl. Helene. Diese zwei Namen müssen in Verbindung hier stehen. Sie ist seine Maitresse ― ein hübsches, aber jedenfalls sehr ― unzuverlässiges Kind. Ich verbrachte viele Abende mit ihnen, bei den Shingalesen lernt ich sie kennen ― Nixl mußte nach Lodz reisen, ich war manchmal bei Hel. oben; bald kam er und holte sie ab. Beide zusammen hielten es aber in Lodz auch nicht aus und kamen bald wieder zurück. [Kurz] nach seiner Rückkehr hatte Nixl ein Pistolenduell mit einem Cavallerieoffizier, der seine Familie beleidigt hat. Beide blieben unversehrt. Ganz unvermittelt blieb ich plötzlich von Helene, die ich sehr häufig ― immer nur als Freund des Geliebten besucht hatte, aus. Es waren nemlich Nixl von den verschiedensten Seiten Gerüchte ins Ohr geblasen worden, an die er zwar keinen Moment glaubte, die mich aber dennoch so sehr chokirten, daß es mir lieber war, Heli gar nicht wiederzusehen. Eine Grenze hatte unsre Zärtlichkeit nie überschritten.

Vor vielen Wochen schon, vielleicht im Oktober, gabs einen famosen Spass bei Leidinger. Wir arrangirten es (ich und Max F.) daß Valeska mit einem Fiakerkutscher, den Louis für einen Cavalier hielt, in einem Chambre séparée sass, daß dann Valeska zu uns ins Chambre kam, der Fiaker scheinbar wüthend nachstürzte, bis sich alles aufklärte. Die Sache war sehr fein arrangirt, und gelang ― zum Todtlachen. Seitdem hat Louis schon lang mit Valeska gebrochen, welche nunmehr von Eduard Suchanek angebetet wird, aber (so scheints) trotz verschiedner Brillanten bisher erfolglos.

Von Dr. Theodor Herzl ist ein Lustspiel, das ich kurz vorher im Manuscript gelesen hatte, Tabarin, in New York (Mitterwurzer) aufgeführt worden.

Die Wunderwelt, in welche der Claviercyklus von Rubinstein jeden musikalisch empfindenden versetzen mußte ― darf auch in meinen Tageblättern nicht unerwähnt bleiben.― Es war mit einem Worte herrlich.―

März

April