Donnerstag, 11. Oktober 1883

11/10 Donnerstag Mg.― Am Sonntag plauderte ich bis tief in die Nacht mit Richard, der an verschiedenen meiner Stoffe ein äußerst reges und wahrhaftig über die Maßen wohlwollendes Interesse nahm ―

Aber nun muss es „weg damit“ ― dieses kategorische Wegdamit ruft mir das mediz. Studium zu, von dem Rudinger neulich so richtig bemerkte, es sei das „eifersüchtigste“ von allen Studienfächern. Ich bin neugierig, ob ich den Willen haben werde, oder besser Energie genug, um mich heuer mit der Inbrunst in die Arme der Medizin zu werfen, wie es notwendig ist … und wie ich eigentlich wirklich wollte. Ich darf jetzt ganz einfach nichts literarisches angehn ― sonst bin ich verloren ― wer weiss wie viel Wochen oder Monate ― für mein Studium, besonders wenn ich mich an die Bearbeitung eines tiefern, und mich wahrhaft an allen Fibern packenden Stoffes machen würde wie z. B. Menschenliebe, Albine oder Prinz Julian.―

― Ich bin seit Anf. d. M. wieder auf der Poliklinik und beschäftige mich mit Laryngoskopie, sowie percutiren und auscultiren.― Dann hab ich einen Roman gelesen von Tschernyschewski „Was thun“ ― der mich lebhaft anregte. Socialistische Probleme; etwas utopistisch aufgefasst. Ein sonderbarer Nihilismus der von „neuen Menschen“ träumt. Meiner Ansicht nach sind die Menschen, die der Autor so gerne als „neue Menschen“ darstellen möchte, zu jeder Zeit dagewesen ― aber es wird nie die Zeit kommen, wo die Mehrzahl aus solchen „neuen Menschen“ besteht.