Samstag, 9. September 1882

9/9 Samstag Abend.―

Am sechsten erhielt ich die Anzeige von der Vermählung meines Freundes Gustav Fr. mit jenem schönen Mädchen, das ich im Verlauf des letzten Jahres häufig in seiner Begleitung gesehen hatte, Anna R.

Fännchen kam vor ein paar Tagen an; ich sprach sie bereits vorgestern. Heute wieder. Sie beklagte sich bitter Über die „Kälte“ meiner Briefe, sowie Über meine „Kühle“ im allgemeinen. „Es gibt Überhaupt nichts glühenderes als mich“ erwiderte ich in meinem gewöhnlichen und nicht immer ganz aufrichtigen Superlativismus … „ich brenne so gut wie eine Havannahcigarre“ fuhr ich arrogant fort, „nur versteht nicht jedermann Havannahcigarren zu rauchen. Sie verlieren ihr Aroma, wenn man sie zwei und drei Mal anzündet.“

Auch mit Fany M. sprach ich. Sie war acht Tage in Baden. Ida kehrte gleichfalls zurück.―

Alles genau wie früher. Eigentlich langweilig.―

Gestern verlor ich natürlich beim Rennen wieder alles, was ich hatte. Überhaupt finanziell „gedrückt“. Gehe fast immer ohne Geld herum, was mir unangenehm ist.―

Freue mich, Fany M. nächstens einiges von meinen literarischen Anfängen vorzulesen; werde vielleicht in wirkliche Stimmung kommen.―

Fännchen schön; ― sehr schön.

Zu schön ―?

Bin entzückt von Murgers Zigeunerleben, welches ich jetzt lese.―

Anfangs dieser Woche begann ich zu laryngoskopiren.

Ich verwickle mich noch immer statt mich zu entwickeln.―

Dass ich im Verlaufe der letzten Wochen, zum größten Theil auf der Reise das folgende las, sei noch erwähnt.―

Lamartines Raphael. Das albernste, was man sich denken kann. Eine ewige Verwechslung von Liebe mit Glauben; eine Speichelleckerei gegen den „lieben Gott“. Menschen sind anders verliebt als die zwei in der ärgerlichen Geschichte. Die gehören ins pathologische Museum, zum mindesten aufs Beobachtungszimmer. Und diese Frömmigkeit. Ich habe meine Nase noch jetzt voll Weihrauch. Köstlich ist, wie die zwei jungen Leute zum Schluss ganz metaphysisch drauf kommen, daß sie nicht sich gegenseitig, sondern eigentlich Gott geliebt hätten und was dergleichen Unsinn mehr ist…

Den Dämon von Kraszewski las ich mit Interesse. Die Novelle ist feinsinnig und mit Geist geschrieben; vielleicht sind die Personen zu typisch hingeworfen, dafür sind sie auch sehr scharf umrissen; desselben Autors Alte und Neue Zeit liest sich gut. Kiellands Garman und Worse enthält originelle Momente, der Rekrut von Conscience ist eine unbedeutende und doch in ihrer Art ganz gelungene Novelle. Die Polkoschen Plaudereien warf ich bald bei Seite. Es wird doch alles so kleinlich, wenn sich diese Art Weiber drüber machen.―