Mittwoch, 30. August 1882

30/8 Mittwoch.―

Heute Nachmittag war ich mit Gustav Frieberger zusammen. Er ist mit jenem Mädchen, das ich im Verlauf des letzten Jahres ein paar Male Arm in Arm mit ihm zu sehen und sehr schön zu finden Gelegenheit hatte, verlobt, und dürfte sie in ein paar Monaten heiraten. Zugleich theilte er mir auch mit, daß er das Doctorat der Philosophie zu machen gedenke. Im vorigen Jahr fiel er bei einem jurid. Rigorosum durch. Mein Freund Jul. v. Ludassy bei dem selben heuer am 15. v. M. Friedrich Schik fiel heuer bei der 2. jurid. Staatsprüfung. Also alle die drei Juristen, welche ich sozusagen als zusammengehörig kennen gelernt, bringen es im Jus nicht weiter.― Fr. las mir seine Novelle „Der letzte Flittertag“ vor. Ich muss sagen, daß sie mich höchlichst interessirte und anregte. Ich sah da ein Talent voll Geschmack und Bizarrerie vor mir. Die nervöse Stimmung des ganzen muthete mich recht an. Eine graziös-leidenschaftliche Sinnlichkeit durchtränkt Ideen und Durchführung. Die einfachen und reizenden Begebenheiten spielen sich zwischen Charakteren ab, die theilweise geradezu mit einer das Gemüt gefangen nehmenden Lebendigkeit und Kunst geschildert sind. Der Stil, der an manchen Stellen anders gesinnten etwas affectirt vorkommen dürfte, ist zugleich elegant und gediegen. Vielleicht dürften bei genauerer Lecture einige Längen auffallen; sowie sie auch ab und zu etwas zu viel Pathos finden könnten Auch einzelne Gedichte, zum mindesten einzelne, nicht gerade wenige Verse aus Fr.’s Gedichten, sind recht bemerkenswerth

Ich habe dieser Tage wieder zu schreiben begonnen. Eben dieses literarische Weben und Leben in mir, welches wieder wach wurde, bewog mich, Fr. wieder aufzusuchen „ich war des trocknen Tones satt“ ich sehnte mich nach Geschmack und Geist.―

Ich begann mich an eine ganz kleine Novellette zu machen „Für einen andern“ mit einer gewissen unwillkürlichen Absicht einen Stoff wählend, der mich nicht völlig beherrscht und ausfüllt, auf daß mir nicht wieder wie gewöhnlich das Malheur passire, meinen Stoff mir sozusagen über den Kopf wachsen zu sehen und auf alles Feilen verzichten zu müssen und die Geschichte (wie bisher beinahe alles) unvollendet (wenn auch theilweise bis zu Ende geschrieben) ins Pult zu werfen. Ich gedachte besagte Novellette recht fein bis ins kleinste Detail auszuführen und erst dann mich wieder so recht unter meine ureigenen Stoffe, unter die Lieblinge aus meinen geistigen Kindern zu begeben, sie aufzuerziehn und

Vergleich.― Also hinkend!

In diesem Moment übrigens, um fortzusetzen, weiss ich wieder nicht ganz bestimmt, ob es bei dieser Novellette (von der ich erst ein paar Seiten geschrieben habe) bleiben wird. Es mag doch vernünftiger sein, wenn ich mich lieber gleich an die Ausführung eines Planes mach, in welchem etwas steckt Nous verrons.

Um mir ein Bild von dem Tag jetzt zu bewahren, will ich wieder ein bischen Chronik einzeichnen.―

30. 8. Mittwoch.

Früh Morgens, d. h. so gegen halb neun ging ich auf die Poliklinik, wo ich mich neuerdings in der internen Abtheilung (bei meinem Vater) und in der Abtheilung für Hautkrankheiten (Prof. Auspitz) herumtreibe, nicht ohne immer mehr Interesse für die Medicin zu fassen. Um eilf Uhr nach Hause gekommen spielte ich zwei Partien Schach mit meinem Bruder, die ich beide verlor (!). Ich las dann ein wenig in Alberts chirurg. Diagnostik. Den Nachmittag verbrachte ich mit Fr.; Abends bummelt ich und traf im Volksg. Michel Pallester und Jacques. Letzterer hat endlich in Leitmeritz sein Examen gemacht. Ist noch immer der alte mit seinen drei Vorzügen und dreißig Fehlern. Langweilt mich schon, obwohl ich sehr wenig mit ihm verkehre ― Nach dem Souper schachirte ich mit meinem Vater.―