Sonntag, 18. Juni 1882

18/6 Sonntag.― Mein Rigorosum natürlich immer wieder hinausgeschoben; melde mich zum letzten Termin (morgen acht Tage) habe also erste Hälfte Juli Examen. Ich werde übrigens was wissen. Ob auch Glück haben?―?

Die Mädchenaffaire ― im alten Geleise. Die Eltern R. skandälern ihrer Tochter was vor, lassen sie seit ein paar Tagen nicht mehr in den Volksg.

Fanny M. gegen das Verhältnis ― Regine, Thilda, Jenny, ganz liebenswürdig, Ida bereits abgereist, Fännchen selbst … hier der Brief, der gestern an mich gelangte:

Wien, am 14/6 82

Mein innigst geliebter Herzens-Arthur!

Gewiss würde ich Dir, Du Glücklicher, diesen Brief nicht geschrieben haben, wenn mich die Sehnsucht nach Dir nicht dazu getrieben hätte. Du treibst auf wundervolle Weise Dein Spiel mit mir! Glücklich nenn’ ich Dich weil Du Dich gar nicht nach mir zu sehnen scheinst, und weil Du auch sonst nicht viel an mich denkst, denn wenn Du wüßtest, wie Dich das einfältige Mädchen „Fanny“ liebt, Du würdest mit ihr nicht wie mit einem Ballon spielen. Was soll ich thun, mein Süßer, um diese unselig unerwiderte Liebe aus meinem Herzen reißen zu können, denn, daß Du mich liebst, glaub’ ich Dir jetzt nimmermehr. Ein klein wenig Egoismus wurzelte schon vor zwei Jahren in Deiner Lieb’ zu mir. Was soll mir beweisen, daß Du mich liebst? Vielleicht das Händedrücken von meiner Seite, dem Du Dich so gerne entziehst? Oder das Röslein, das Du mir und andern Mädchen gibst? All dies ist ein Beweis, daß ich Dich närrisch liebe; doch Du, wie darf ich es wagen, mein Aug zu Dir, „dem herrlichsten von Allen“ zu erheben? Nicht wahr? Und was soll ich dazu sagen, kann ich glücklich sein, Arthur, Du selbst wirst mir diese Antwort verneinen! Und doch, in dem Gedanken an Dich bin ich glücklich selig, wenn Du mich auch gar nicht liebst, ich lieb’ Dich einzig, ewig und treu! ―

15/6 82 Abends.

„ ― Nun bin ich wieder um einige trostlose Stunden reicher als gestern, denn wahrlich den Skandal vor allen Leuten hab’ ich nicht verschuldet ―, sondern Du bist schuld daran, mein Liebster! Doch Du darfst mich verachten, wenn ich Dir je gezürnt habe, ob der bittern Stunden, die Du mir schon bereitet hast! Ich lieb’ Dich eben wahr, und kein lebendes Wesen ist im Stand, mir diese Liebe zu entreißen! Man will mich gewaltsam von Dir trennen, denn meine Eltern behaupten in ihrem Leben nicht mehr in den Vg. zu gehen, ich folge ihnen, was liegt daran, wenn ich dabei auch zu Grund gehe. Ich denk immerwährend an Dich, ich seh’ Dich überall, es freut mich nichts ohne Dich, und das soll mein Glück sein! Die Trennung von Dir soll mich erheitern! Ach, Arthur, warum hab’ ich Dich je gesehen, Du machst mich furchtbar elend! Gib mir einen Schimmer auf zukünftiges Glück und Du machst mich zum Glücklichsten aller Mädchen. Sag mir nie, daß Du mich nicht liebst, mein Süßer, ich denke ja immer an Dich, und soll Dich meiden: Nein, in meinem Geiste liebst Du, lieb’ ich Dich und küsse ich Dich rasend Deine Fanny.“

(Dann auf einem Extrablatt:)

„Wenn ich Dich aber nie sehen soll, nichts von Dir hören soll, so kann ich nicht leben; Du mußt mir schreiben Arthur, denn sonst, nein, ich will nicht immer an blöde Selbstmorde denken! Du liebst mich ja und wirst mir durch Fany immer etwas liebes zukommen lassen. Verweigere mir die Bitte nicht, Arthur!

100000000 Küsse.“

Juli