Samstag, 9. Juli 1881

9/7 Samstag.― Die letzten Tage bis Mitternacht herumgekneipt etc. ― Fany M. einige Mal gesprochen ― Th.―

Wenn ich nun zurückblicke auf mein zweites Universitätsjahr, das soeben verendet, so bietet sich ein monotones Bild dar ― Es ist absolut von keinem Fortschritt zu erzählen ― ich war weder wissenschaftlich thätig ― noch literarisch ― ja in Bezug auf die Poesie gehört das verflossene Jahr zu den ärmsten meines allerdings erst 19jährigen Lebens. Mit einem Worte, ― ich leistete verschwindend wenig. Intimere Verhältnisse bildeten sich mit Hermann L. und Fritz K., zwei Medicinern aus.― Ein unaufhörliches Gefühl der Unbefriedigung schlich mir durch Hirn und Herz ― meine Ideen wurden immer pessimistischer ― ich unbeschreiblich unzufrieden mit mir selber und mit allem ringsum. Das Elend des Lebens konnt’ ich aus tausend kleinen & großen Dingen ersehen, obzwar ich selbst noch vollkommen davon verschont geblieben war ― In jeden Freudenkelch sah ich die Naturgesetze und die zufälligen Umstände ihren Tropfen Wermut gießen und war wirklich keinen Moment lang wirklich heiter, sondern schwankte von ausgesprochener Mißstimmung zu übermütiger Lust hinüber ― wo mir aber stets von der erstern viel mehr zu theil ward als von der letztern.― Sonnenthals Brief deprimirte mich auch gehörig ― ― Das Verhältnis mit F. verblaßte nach und nach, aber nicht ganz ― und erst vor kurzem spielte es in helleren Farben ―

Sonst wäre nicht viel vom Verkehr mit dem andern Geschlechte zu erzählen … Mein Nervensystem befindet sich im elenden Zustand, was noch schlimmer wurde, dadurch daß mein Vater dasselbe für absolut krank erklärte ― Die Luft Wiens und die ganze Existenz lastet drückend auf mir ― es sind wahrhaftig Momente, wo ich mir kaum zu helfen wußte ― Nun aber hab’ ich manches vor. Erstens reis’ ich morgen mit Fritz ab ― ins Gebirge & zweitens ergeb ich mich sobald ich (in 14 Tagen) zurück bin, einem ernsten Studium fürs Rigorosum.― Aber ― was wird dadurch besser ― ? Ich müßte was erhebendes erleben ― den Himmlischen Dank, daß ich wenigstens auf und davon gehe, wenn auch nur für kurze Zeit.―