Mittwoch, 15. Dezember 1880

15/12 Mittwoch Mg.― Ich mag wie viel immer über den innigen Zusammenhang zwischen Medizin und Poesie meditiren ― es bleibt doch wahr, daß man nicht zu gleicher Zeit ein ganzer Poet und ein ganzer Mediziner sein kann. Hin und hergeworfen zwischen Wissenschaft und Kunst bringe ich zu keinem von beiden mein ganzes Ich mit und werde in der Arbeit durchs Dichten, im Dichten durch die Arbeit gestört. Dazu interessirt mich die ganze Sache mehr als ich jemals erwartet. Anderseits spür ich wieder, sobald ich die Poesie eine Zeit lang vernachlässige ― eine Art Heimweh, innre Verwirrung, Traurigkeit, womit übrigens noch nicht gesagt ist, dass sich zu gleicher Zeit Begeisterung, Inspiration einstellt.― Kommt nun abgesehen von der edeln [Musik] noch die Masse von Stunden hinzu, die ich ― durch langes im Bette liegen, Bummeln, Spielen, ganz unnütz vergeude ― so liegt die Zersplitterung meines Wesens und meiner Zeit ganz klar und unwidersprechlich zu Tage. Ich thue wahrhaftig oft nichts, weil ich nicht weiss, was.