Dienstag, 5. Oktober 1880

5/10 Dinstag früh.― Die Liebe ist eigentlich Geschlechtstrieb mit Neid verbunden. Warum wir dieses Gefühl als etwas so schönes preisen? Nun, ich glaube, jede starke Hervorkehrung der Individualität und damit des Egoismus ist von einem Eindruck bedeutenderer Art begleitet. Am Geschlechtstrieb selbst ist nichts besonders hoheitvolles zu finden, ― lasst aber den Neid oder wie man ihn hier speciell nennt, die Eifersucht hinzutreten, diese Potenzirung des Selbstbewußtseins, das alles für sich will, nichts einem andern gönnt, dann habt ihr die Liebe, ach die Liebe, die alle Dichter besingen!―

O seltsames Volk der Teleologen, das da im Chorus ausruft: „Die Welt ist da, weil sie schön ist.― Sie ist schön, weil sie da ist ―“ d. h. wäre sie nicht in diesem gewissen Grade schön, so ― existirten wir Menschlein gar nicht, da ja auch unser Organismus in dem notwendigen Entwicklungsgang der Natur beruht, so daß viele Bedingungen unsres Daseins eben in dieser sog. Schönheit begriffen sind.