12/1 S. Zu regelmäßiger Tagebuchführung noch kein Entschluss gefasst.―
Olga noch bettlägerig, in voller Reconvalescenz.―
Vorm. geh ich meist 1-3 Stunden spazieren; gestern dacht ich, nach langer
Zeit wieder einmal, über ein Stück nach, das mir tags zuvor eingefallen
war, entstanden aus den „Ritterlich“ Stoffen.―
Feile noch weiter am Roman.
Der Beginn ist am 1. Jänner in der Neuen Rundschau erschienen. Ich mache
mir den Spass und notire (nächstens) was von Echo’s zu mir dringt (von
ungedruckten während des allmäligen Erscheinens).―
Es steht noch nicht fest, welche größere Arbeit ich angreifen oder beenden
werde. Outsider nicht unwahrscheinlich. Jedenfalls zieht es mich immer
entschiedener dem stilisirten zu. Ja selbst Komoedienpläne moderner Art
(Ritterlich) entwickeln sich ins burleske, selbst marionettenartige.―
Ziemlich viel gelesen in diesen Wochen. Den 6. Band der Bülow Briefe.―
Die Briefe von Multatuli ― Brandes aus den Hauptströmungen den Band über
Romantik wieder.― Lucinde.― Immermann Münchhausen, 1. Band.― In Brehm
(Raubthiere).― Goethe über seine Werke (Faustband).― Novellen von
Moerike.― Heywood, der engl. Reisende.― Musil, >Die Verirrungen des
Zöglings Törless.― Vehse (Sachsen).― Napoleon Briefe.― Briefe Marie
Antoinette mit Joseph und Leopold.― Viel Zeitung, zur Zerstreuung, die mir
anfangs sehr nöthig war.―
Auch Goldmanns Briefe les ich, nach langer Zeit, wieder. Welch ein feiner
Geist ist hier durch Neid und Eitelkeit zerrieben worden.―
Von meinen Freunden, die sich öfters erkundigen ließen, hör ich wenig.
Dass ich Richard am nächsten stehe, hat sich auch in dieser Zeit wieder
gezeigt. Wie immer, wenn wir lang nicht verkehren, rück ich von Salten am
weitesten ab. Ich spüre, fluidire seinen innern Widerstand gegen mich, der
durch die Ereignisse der letzten Zeit notwendig wachsen mußte.― ―
Während Olga sehr krank war, war mir alles äußere der Existenz
vollkommen fern; gleichgiltig, lächerlich. Jetzt hat natürlich manches
lächerlich Kleinliche wieder Macht über mich. „Wie gut muss es mir gehn“
sagt Olga lächelnd, wenn ich mich über die Polgar’s gifte.―
Heini wohnt noch immer bei seiner Großmama; wir teleph. öfters.―
Auf der Straße neulich zufällig Leo; neulich Richard gesprochen.―
Dr. Sokolowsky, Übersetzer, begleitete mich auf einem Spaziergang nach
Pötzleinsdorf; erzählt mir allerlei von russ. Verhältnissen.
Meine Cousine Grethe Mandl hat sich mit Dr. Manassewitsch verlobt.―
Neulich, spazierengehend, sah ich in Hietzing das eben in Bau begriffene
Haus von Trebitsch.―
Liesl, Tuberkulincur befindet sich nach eignen, Bekannter, Ärzte
Mittheilungen entschieden besser.―
Prozess Harden Moltke hat (der zweite) mit einem Zusammenbruch H.s geendet.―