22/3 Dinstag Abd.― Sonntag war ich bei Z.s den ganzen Nachmittag.―
Die Tochter Jenny Lorm, die bekannte Schauspielerin ― ein kecker
100 1881: III 22 - III 25
Schnabel von einigem ésprit und viel Verstand; die Schriftstellerin
Emy Marriot, ein blaßes junges Mädchen von freien Manieren, müden
Augen, nervöser zuckender Sprache ― ein Gemüt wie mit grau
schimmernden Tüchern verhängt. Die Flössel vom Carltheater, mehrere
Nebenpersonen.
Im Anfang wars nett ― im Zimmer der Lorm ― Männlein und Weiblein
rauchten Cigarettes in dem dämmerigen Raum ― es war Stimmung da ―
Während des Zusammenseins im Salon herrschte im ganzen wenig Animo.―
Gestern Abend war ich bei E.s. Laura gefällt mir recht wohl.
Sonderbare Familie. Die Mutter von übermäßiger Sinnlichkeit, den
Freunden ihres Sohnes nicht abhold ― der Vater ein alter Esel mit
Schlafmütze und langer Pfeife; Hermann der älteste Sohn mit
knarrender Stimme, häßlich, umgeben von geologischen Büchern,
Jagdgeräthen und studentischem Waffenzeug; ihm sehr ähnlich der Bruder
Fritz, der just von einer Hundeausstellung kommt ― die Töchter ―
Laura, dunkel von Haar und Augen, ein Bild ihrer Mutter ins Reich
der Jugend projizirt. Die aufsprossende junge Schwester, die schon
sehr viel ahnt und zuviel weiss, die hübsche kleinste, und der nette
jüngste Bursch.
― Der Freund Rich. T., beinahe jeden Abend oben ― und seine Gunst auf
Tochter, Gouvernante und Stubenmädchen vertheilend, und von der Mutter
gern gesehn, die blasse lange norddeutsche Gouvernante ― mit einem
Male ein improvisirter Tanz ― ab und zu irgend ein andrer Gast, der
dazukommt, Fritz K. z. B., der Jugendgeliebte Lauras, der sich mit ihr
in Erinnerungen wiegt ― und jeden Moment einen neuen Novellenstoff sich
entwickeln sieht, ― oder Louis Fr. in feschem Kriegeranzug ― oder ich
― beim Klavier sitzend und ab und zu ein paar Akkorde spielend ― und
„merkwürdig“ dreinschauend wie Laura findet…―